Die Moralisten
von diesem Geld ist bei der Federal Deposit Insurance Corporation versichert?« fragte Judd.
»Wenn in jeder Filiale auf jedem der Konten etwa hunderttausend Dollar liegen, so müßten es ungefähr einhundertfünfzehn Millionen Dollar sein.«
»Was immer das für Leute sein mögen, dumm sind sie auf je den Fall nicht.«
»Das stimmt«, bestätigte Merlin. »Wir haben die Einzahlungen noch einmal überprüft und festgestellt, daß nie mehr als neuntausend Dollar auf einmal eingezahlt worden sind. Auf diese Weise brauchte die Bank das Geld nicht dem Finanzamt zu melden.«
Judd nickte. »Sehr schlau. Aber das ist wohl Routine bei solchen Geschäften, nicht wahr?« »Ja«, lächelte Merlin. »Aber was machen wir jetzt?«
»Wir melden es dem Finanzministerium«, sagte Judd lakonisch. »Die werden sich der Sache schon annehmen.« »Die Publicity würde die Bank ruinieren«, gab Merlin zu bedenken. »Wir könnten vierhundert Millionen Dollar dabei verlieren.«
»Was würden Sie tun?« Judd lächelte gequält. »Wir könnten die Konten stillschweigend schließen und die Einlagen auszahlen«, schlug Merlin vor. Judd schüttelte den Kopf. »Das wäre Beihilfe zu einem Kapitalverbrechen.
»Eines habe ich von meinem Vater und von Judge Git-lin gelernt: Eine hoffnungslose Situation soll man nicht durch Tricks zu verbessern versuchen, sonst steckt man bald bis zum Hals in der Scheiße. Man muß eine Niederlage hinnehmen können und dann weitermachen, so gut es eben geht.«
Merlin schwieg.
»Wer ist für diese Geschichte verantwortlich?« fragte Judd. »McLaren, der Präsident der Crane Financial Division.« »Und er hat nie etwas darüber gesagt?« »Mir ist nichts zu Ohren gekommen.« »Und es steht auch nichts in den Akten?« »Nein.«
»Dann feuern Sie ihn«, befahl Judd. Seine kobaltblauen Augen waren eiskalt. Er schwieg ziemlich lange, bevor er fragte: »Gibt es noch etwas, worüber ich Bescheid wissen muß?« »Li Chuan«, antwortete Merlin und wartete eine Sekunde. Judd nickte. »Er hat das Quaaludin -Geschäft auf eigene Rechnung gemacht, aber in unserem Namen und über die Bücher der Firma.«
»Schmeißen Sie den Kerl auch raus«, sagte Judd ruhig. »Haben Sie noch einen dritten auf Ihrer Liste?«
Merlin wurde verlegen. Er warf einen Blick zu Dr. Za-biski hinüber, die immer noch in der Ecke saß. Er zögerte, aber schließlich nickte er.
Die kleine Ärztin schien das Zögern bemerkt zu haben. Sie erhob sich. »Wie es scheint, haben Sie keine Probleme, Mr. Crane. Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich gern gehen.«
Judd schüttelte den Kopf. »Nein, bleiben Sie nur. Jetzt können Sie auch den Rest mit mir durchstehen.«
Merlins Blick wanderte zwischen Dr. Zabiski und Judd hin und her. »Es geht um Sofia. Sie ist in Havanna.
Und Li Chuan ist auch in Havanna. Und außerdem noch Nicolai Borovnik, die Nummer drei im KGB.
Der Sicherheitsdienst behält sie im Auge aber wir haben noch keinen Bericht.« Judd warf der Ärztin einen prüfenden Blick zu. »Hat Ihre Assistentin etwas mit dem KGB-Mann zu tun?« fragte er kühl.
Die Ärztin sah ihm fest in die Augen. »Von dieser Geschichte da weiß ich nichts. Mir war bekannt, daß Sofia die Geliebte von Borovnik war, als sie in Moskau arbeitete, und daß er sich scheiden lassen wollte, um sie zu heiraten. Als die Scheidung nicht zustande kam, entschloß sie sich damals, zu mir nach Dubrovnik zu kommen.«
Judd musterte sie kritisch. »Warum sollte sie sich dann noch die Mühe machen, ihn jetzt in Havanna zu treffen?« »Ich weiß es nic ht«, erwiderte sie. »Aber vielleicht wollte er mit ihr über Breschnew reden.«
»Breschnew? Leonid Breschnew? Den Kremlchef?« Judd war verblüfft und machte keinen Versuch, das zu verbergen. »Ja. Er sollte ihr nächster Patient sein.« »Dann kommt sie also nicht mehr zurück?« fragte Judd trocken.
»Sie wird zurückkommen«, sagte die Ärztin. »Trotz des Generalsekretärs?« »Ja.«
»Trotz des Politbüros?«
»Ja.«
»Trotz des KGB?«
»Ja.«
»Und das kann sie sich leisten?«
»Nun, es gibt noch einen sehr wichtigen Test im Zusammenhang mit Ihrer Behandlung, den nur Dr. Ivancich durchführen kann.« »Und dabei kann sie niemand vertreten?«
»Nein.«
»Was soll das sein, Frau Dr. Zabiski?« »Eine Abtreibung. Bei ihr selbst.«
Judd starrte sie ungläubig an. »Soll das heißen, sie ist eine der...«
»Ja, Mr. Crane«, bestätigte die Ärztin. »Warum hat sie mir das nicht gesagt?« »Sie wollte nicht.«
»Und
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