Die Moralisten
nicht von mir schwängern lassen?« »Du hast mich nie darum gebeten«, sagte sie leise.
Der offene Aktenkoffer stand vor ihm, als Sofia zurückkam. Er blätterte in ihrem Bericht. »Die alte Dame ist schlau«, bemerkte er. »Seit acht Jahren beobachten wir sie, aber wir wis sen immer noch nicht, welche Methode sie anwendet, um die Zellen geklont zu befruchten.«
»Die Methode der Zellbefruchtung ist uns bekannt. Lediglich die Methode des Klonens hält sie geheim.
Daran arbeitet sie immer nur ganz allein in ihrem Laboratorium.« »Bist du jemals mit ihr im Laboratorium gewesen?« fragte er so beiläufig wie möglich.
»Nein«, erwiderte sie. »Und ich kenne auch niemanden, der mit ihr jemals dort gewesen ist. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob sie schon über eine geeignete Methode des Klonens verfügt. Ich habe den Verdacht, daß sie darauf spekuliert, die Computer und Laboratorien von Crane würden die richtige Methode schon für sie finden.« Er legte die Papiere auf den Tisch und wechselte abrupt das Thema. »Hat sie dir schon mitgeteilt, daß du in die Sowjetunion mußt?«
Sofia war überrascht. »Nein. Warum?« »Du sollst Breschnew behandeln.« »Davon hat sie mir bisher noch kein Wort gesagt.« Nicolai schwieg eine Weile. »Vielleicht war sie der Ansicht, daß es besser wäre, wenn sie dich erst nach der Abtreibung darüber informiert.«
»Das kann sein. Woran leidet denn der Generalsekretär?« »Ich weiß es nicht. Manche sagen, er hätte Krebs; andere sprechen von einem Infarkt und Gehirnblutungen. Bislang handelt es sich dabei nur um Gerüchte. Ich habe allerdings selbst beobachtet, daß er sich nur sehr mühsam bewegen kann und seine Aussprache undeutlich ist. Dr. Zabiski ist im letzten Jahr viermal bei ihm gewesen. Dann wurde bekannt, daß du zu seiner Betreuung abgestellt werden sollst.« »Und was wird aus meiner jetzigen Arbeit?« »Das ist eine Frage der Prioritäten. Breschnew ist wichtiger für uns als Crane.«
Sofia nickte nachdenklich. »Sie ist wirklich schlau, Nicky. Es gibt mindestens vier Assistenten, die sie zu Breschnew schicken könnte. Aber indem sie mich nach Moskau schickt, verringert sie die Chancen, daß ich ihre Methode entdecke.« »Und wieso glaubst du, daß du eine Chance hättest?« »Alles, was mit Crane und seinen Geschäften zu tun hat, wird in der Computerzentrale in Crane City in Kalifornien gespeichert.
Ich erwarte zwar nicht, daß Dr. Zabiskis Formeln direkt in diese Date nbank eingespeist worden sind, aber dafür speichert der Computer alle Vorgänge, die mit der Beschaffung von Material und Instrumenten zu tun haben. Wenn wir an dieses Material herankommen, haben wir gute Aussichten, ihre Methode kennenzulernen.« Sie seufzte. »Allerdings würde man den richtigen Code brauchen, um den Computer befragen zu können. Und ich kenne bloß drei Personen, die diesen Code kennen: Judd Crane, Marcus Merlin, sein persönlicher Assistent, und der Direktor der Computerzentrale.«
Nicolai runzelte nachdenklich die Stirn. »Vielleicht gibt es noch jemanden, der an solche Informationen herankommt«, sagte er zögernd.
Sofia warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Li Chuan. Das ist auch der Grund, warum wir mit ihm verabredet sind. Er behauptet, er besitze den Code und könne uns Zugang zu Cranes Computern verschaffen.«
»Das kapiere ich nicht. Selbst wenn er den Code hätte k ich nicht glauben, daß er uns hilft. So altruistisch ist der Mann nicht.«
»Mit Altruismus hat das gar nichts zu tun«, lachte Nicolai t geht dabei um zwanzig Millionen Dollar.«
19
Das melodische Klingeln seines Privattelefons übertönte das Fernsehprogramm. Judd nahm den Hörer ab und meldete sich.
»Haben Sie schon geschlafen?« fragte Merlin. »Nein. Ich hatte den Fernseher an.«
»Ich würde gern mit Ihnen sprechen.« »Genügt es morgen früh um acht?« »Jetzt gleich wäre besser.«
Judd überlegte nicht lange. Es hatte keinen Sinn, seinen Assistenten zu fragen, ob es wirklich so dringend sei. Wenn es das nicht wäre, hätte Merlin nicht gefragt. »Wie lange brauchen Sie, um herzukommen?«
»Ich bin im Büro in Boca Raton«, erwiderte Merlin. »Ich brauche bestimmt nicht mehr als dreißig oder vierzig Minuten. Um diese Zeit ist ja nicht mehr viel los auf den Straßen.« »Lassen Sie sich von Fast Eddie herbringen. Er soll gleich etwas zum Anziehen für mich einpacken.« »Wird gemacht«, sagte Merlin und hängte ein. Judd drückte den Klingelknopf, um
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