Die Moralisten
den Blick zu. »Die Sac he ist natürlich schrecklich pornographisch, Genossin. Vielleicht möchten Sie lieber nicht hingehen?«
Sofia sah erst Nicolai und dann den General an, ohne etwas zu sagen. »Wir haben die Show natürlich nur deshalb behalten«, lä chelte Gomez und zündete seine Zigarre an, »damit wir nie mals vergessen, wie dekadent und pervers unsere Vorgänger waren«
Sofia spürte, daß Gomez auf ihre Zustimmung wartete. »Unter diesen Umständen«, sagte sie schließlich, »wäre es sicher sehr lehrreich für uns, diesen Klub zu besuchen. Auf diese Weise können wir vielleicht noch etwas über die Verkommenheit der Kapitalisten erfahren.«
»Ich bin sicher, Sie werden sich gut amüsieren, Genossin«, grinste der General befriedigt.
Der Nachtklub befand sich in einem unauffälligen Gebäude in der Nähe des Hafens. Der Wagen hielt in einer engen Gasse. Zwei bullige Wächter grüßten militärisch, als sie den General erkannten, und öffneten eine kleine Holztür aus kräftigen Bohlen. Sie traten in ein dämmriges Foyer, das von einem zierlichen Kronleuchter nur spärlich erhellt wurde. Ein eleganter Empfangschef im Frack verbeugte sich vor dem General und führte sie an einer Reihe geschlossener Türen vorbei durch den Flur. Erst die letzte wurde geöffnet, so daß sie eintreten konnten.
Das kleine Separee glich der Loge in einem Theater.
Rund um einen niedrigen Tisch standen drei üppige Sofas. Dahinter war eine rot und rosa beleuchtete Bühne erkennbar, deren matte Scheinwerfer die einzigen Lichtquellen waren. In den benachbarten und gegenüberliegenden Logen waren dunkle Schatten zu sehen.
Ob die Logen aber wirklich besetzt waren oder ob die Gestalten, die die Eintretenden zu sehen glaub ten, nur Einbildung waren, ließ sich nicht feststellen. Auf dem niedrigen Tisch sah Sofia Champagnerflaschen, Cognac, Scotch, Wodka und Rum. Gläser und Eiswürfel standen bereit. Ein leichter Haschisch- oder Marihuanaduft lag in der Luft, und niemand war überrascht, daß ein silbernes Döschen mit Kokain und dazu passende Löffel bereitlagen. »Champagner?« fragte Gomez. »Ja, bitte«, nickte Sofia.
Der General nickte dem Befrackten zu, der sich schweigend entfernte. Zwei junge Männer und zwei junge Mädchen, die lediglich einen Lendenschurz trugen, traten herein. Sie öffneten die Champagnerflasche und füllten die Gläser. Die Mädchen boten das Kokain an.
»Nehmen Sie lieber den Löffel oder den Strohhalm?« fragte der General.
»Ich passe«, sagte Nicolai.
Sofias Blick wanderte vom einen zum anderen. »Ich nehme den Strohhalm«, murmelte sie schließlich. Die Mädchen legten auf einen kleinen Spiegel die Kokainstreifen und hielten Sofia den Strohhalm hin. Sie zog sich je einen Streifen in jedes Nasenloch. Das Kokain explodierte in ihrem Gehirn.
Gomez lachte, als er Sofias verblüfftes Gesicht sah. »Das ist wirklich reines Kokain, das kriegen Sie nirgendwo sonst.« Er selbst nahm für jedes Nasenloch zwei Streifen. »Nicolai«, lä chelte er, »Sie wissen gar nicht, was Ihnen entgeht.« »Es bedeutet mir nichts, Genösse General. Ich habe mich nie damit beschäftigt.
Wodka genügt mir.« Gomez hob sein Champagnerglas. »Das ist eine wunderbare Zusammenstellung.
Santé!«
»Die Show wird gleich anfangen«, versprach der General. »Aber bis dahin können unsere reizenden Kellnerinnen und (Kellner Sie vielleicht unterhalten?« »Ich bin völlig zufrieden«, bedankte sic h Sofia. »Wie Sie wünschen«, meinte der General. Er winkte einen der Männer zu sich heran und hob seinen Lendenschurz hoch. »Erstaunlich, was? Jeder dieser Burschen muß einen Schwanz haben, der mindestens sie bzehn Zentimeter lang ist, wenn er hier arbeiten will. Das sind mindestens sechs Zoll, oder?« Sofia wurde es heiß. Sie versuchte ganz ruhig zu sprechen. »Ich kann nicht gut kopfrechnen, Genösse General.«
»Und was meinen Sie, Genosse?« fragte Gomez.
»Ich interessiere mich nicht sehr für mathematische Probleme«, erwiderte Nicolai. »Aber ich kann Ihnen versichern, daß ich von der kapitalistischen Dekadenz außerordentlich fasziniert bin.«
Der General lachte. »Wir wollen die Sache mal ganz undogmatisch betrachten, dann ist es viel amüsanter.« Er senkte seinen Strohhalm erneut auf den Spiegel und sog noch mehr Kokain in die Nase. Er nickte einem der beiden Mädchen zu, die wartend bereitstanden. »Gib dem Jungen mal eine kleine Behandlung, damit seine wahre Größe erkennbar wird.« Das Mädchen kniete
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