Die Morde des Herrn ABC
Zuschauermengen bei einem Pferderennen – das sportliebende englische Publikum – die endlosen Schwierigkeiten…
« C’est ingénieux», murmelte Poirot. «Das ist wirklich glänzend ausgedacht.»
«Ich vermute», sagte Clarke, «dass der Mord auf dem Rennplatz stattfinden wird, vielleicht gerade während des St.-Leger-Rennens.»
Inspektor Crome stand auf und nahm den Brief an sich.
«Dieses Rennen ist tatsächlich eine unglückliche Komplikation», stimmte er Clarke zu.
Dann ging er. Vom Korridor klang Stimmengemurmel herein. Kurz darauf trat Thora Grey ein.
«Der Inspektor sagte mir eben, es sei ein neuer Brief gekommen», stieß sie erregt hervor. «Wo soll diesmal etwas geschehen?»
Es regnete. Thora Grey trug einen schwarzen Mantel und Rock und einen Pelz. Ein kleiner schwarzer Hut thronte ganz zuoberst auf dem blonden Haar.
Sie hatte diese Frage an Franklin Clarke gerichtet, und auf ihn ging sie auch zu, legte die Hand leicht auf seinen Arm und erwartete eine Antwort von ihm.
«Doncaster, am Tag des St. Leger.»
Wir begannen die neue Situation zu besprechen. Selbstverständlich wollten wir alle in Doncaster anwesend sein, aber dieses Rennen erschwerte alle Pläne, die wir früher gemacht hatten.
Mich überkam ein Gefühl der Entmutigung. Was konnte unsere kleine Gruppe, bestehend aus sechs Personen, schon ausrichten, wie ehrlich immer ihre persönlichen Interessen an dieser Sache auch sein mochten? Die vielhundertköpfige Polizistenschar würde scharfsichtig, wachsam überall auf ihrem Posten sein. Was lag unter diesen Umständen an den sechs weiteren Augenpaaren? Als hätte er meine Gedanken erraten, erhob Poirot plötzlich seine Stimme. Er sprach wie ein Lehrer oder Pfarrer.
«Mes enfants», begann er, «wir müssen mit Überlegung und mit vereinten Kräften vorgehen und dürfen uns nicht verzetteln. Von innen, gedanklich, müssen wir die Wahrheit zu ergründen suchen, nicht von außen. Wir müssen uns fragen: Was weiß ich von dem Mörder? Und aus unseren Antworten müssen wir ein Bild erstehen lassen, das Bild des Mannes, nach dem wir fahnden.»
«Wir wissen ja nichts über ihn», seufzte Thora Grey mit einer hilflosen Geste.
«Nein, Mademoiselle, das ist nicht wahr! Jeder von uns weiß etwas über ihn – wenn wir nur wüssten, was wir wissen! Ich bin überzeugt, dass darin die Lösung aller Rätsel liegt: dass wir uns darüber klar werden, was wir von dem Mann wissen.»
Clarke schüttelte den Kopf.
«Nichts wissen wir! Nicht ob er alt oder jung, groß oder klein, blond oder dunkel ist! Niemand hat ihn jemals gesehen oder mit ihm gesprochen! Wir haben doch jede kleinste Wahrnehmung wieder und wieder durchgekaut!»
«Nicht jede! Zum Beispiel hat Miss Grey uns erzählt, dass sie keinen Fremden in der Nähe von Combside gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen habe am Mordtag.»
Thora Grey nickte. «Ja, das stimmt.»
«Wirklich? Lady Clarke berichtete uns, Mademoiselle, dass sie von ihrem Fenster aus beobachtet hat, wie Sie an jenem Tag beim Haupteingang mit einem fremden Mann gesprochen haben.»
«Ich? Mit einem fremden Mann?» Das Mädchen schien ehrlich erstaunt zu sein. Dieser klare Blick konnte unmöglich lügen.
Sie schüttelte den Kopf. «Lady Clarke muss sich geirrt haben. Ich habe nie… Ach!» Dieser Ausruf entfuhr ihr ganz plötzlich, und ihr Gesicht wurde purpurrot.
«Jetzt erinnere ich mich! Wie dumm von mir! Das hatte ich total vergessen! Es war aber auch keineswegs wichtig. Einer der vielen Hausierer, wissen Sie, ehemalige Kriegsteilnehmer, die dauernd irgendetwas verkaufen wollen. Dieser war besonders hartnäckig mit seinen Strümpfen, ich konnte ihn kaum loswerden. Da ich gerade an der Tür vorbeiging, als er läuten wollte, sprach er mich an. Ein ganz harmloser Mensch übrigens, deshalb habe ich ihn wahrscheinlich vergessen.»
Poirot hielt seinen Kopf mit beiden Händen umklammert und wiegte den Oberkörper hin und her. Er murmelte so heftig vor sich hin, dass niemand im Zimmer etwas zu sagen wagte, sondern alle ihn wie gebannt anstarrten.
«Strümpfe…», murmelte er. «Strümpfe… Strümpfe… Strümpfe… ca vient!… Strümpfe… Da haben wir es! Vor drei Monaten… vor wenigen Tagen… und jetzt! Bon Dieu, das ist es!»
Er setzte sich auf und sah mich an.
«Erinnern Sie sich, Hastings? Das Geschäft… das Schlafzimmer im oberen Stock… und auf dem Stuhl? Ein Paar neue Seidenstrümpfe! Und jetzt weiß ich auch, was mir vor zwei Tagen durch den Kopf
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