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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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tat es. Bei
Tagesanbruch bin ich losgesegelt – ich war klein, aber kräftig; segeln ist nur
Geschicklichkeit, sonst nichts. Trotzdem ist mir unbegreiflich, wie ich das
geschafft habe, ohne umzukommen; es gibt dort schreckliche Strömungen. Als ich
zurückkam, stand er am Strand. Er sagte kein Wort. Er nahm mich nur am Arm und
führte mich mit eiserner Hand zum Haus hinauf. Dort schlug er mich mit solcher
Gewalt, daß ich eine Woche lang nicht sitzen konnte. Aber am Abend, als ich zu
Bett ging, war es da – mein Nachtlicht.»
    «Ja», sagte Ruth nach einer Pause.
«Ich verstehe.»
    «Es wäre kein Problem für mich,
Bowmont zu übernehmen, Ruth. Ich kann mir eine Frau suchen ...» Er unterbrach
sich – «eine neue Frau –, ich kann Söhne in die Welt setzen. Das ist keine
Sache. Aber ich kann nicht vergessen, was Bowmont und alles, was es verkörpert,
aus meinem Vater gemacht hat. Ich kann nicht vergessen, daß meine Mutter für
seinen Familienstolz sterben mußte. Sollen andere es haben. Ich werde sowieso bald
wieder auf Reisen gehen. Es sei denn ...» Aber es war überflüssig, ihr von dem
Krieg zu sprechen, der seiner Überzeugung nach kommen würde.
    Wieder zurück im Turm, nahm er ihr
das Jackett ab. «Morgen können Sie zu Ihren Freunden zurückkehren, Rapunzel», sagte
er. «Jetzt schlafen Sie sich erst einmal richtig aus.»
    Die plötzliche Sanftheit warf sie
fast um. «Dann kann ich also bleiben?» fragte sie, den Tränen nahe.
    «Ja, Sie können bleiben.»
    «Liebling! Kind!» rief Lady Plackett, als sie ihre
Tochter am Abend der Geburtstagsfeier in großer Toilette sah. «Er wird
hingerissen sein.!»
    Verena lächelte. Sie konnte nicht
umhin, mit ihrer Mutter einer Meinung zu sein. Gleich nachdem beschlossen
worden war, ihren Geburtstag mit einem kleinen Fest zu feiern, war Verena auf
der Suche nach einem passenden Abendkleid zu Fortnum geeilt. Die Direktrice
hatte ein schmales, fließendes Kleid aus weißem Georgette im Stil einer
römischen Tunika vorgeschlagen, um, wie sie meinte, Verenas klassische
Schönheit zu unterstreichen.
    Aber damit war Verena nicht
einverstanden gewesen. Gerade an dem Abend, an dem, wie sie hoffte, ihr
Schifflein in den Hafen einlaufen würde, wollte sie von Kopf bis Fuß feminin
wirken, und so hatte sie sich gegen den Rat der Verkäuferin für ein
erdbeerrotes Taftkleid mit Stufenrock entschieden, dessen einzelne Volants
genau wie die Puffärmel und das herzförmige Dekolleté mit Rüschen gesäumt
waren. Um die jugendliche Frische ihrer Erscheinung zu betonen, die, wie sie
wußte, manchmal hinter ihrer hohen Intelligenz zurücktrat, trug sie im Haar
einen Kranz aus Rosenknospen.
    Für eine kleine Feier, wie sie
ursprünglich geplant gewesen war, wäre ihre Toilette zweifellos viel zu
aufwendig gewesen, aber die Planungen hatten, genau wie die Placketts gehofft
hatte, ihre eigene Dynamik entwickelt, so daß auf das bevorstehende Fest das
Wort «klein» längst nicht mehr anzuwenden war. Etwa zur gleichen Zeit, als
Verena in ihre Satinschuhe schlüpfte – mit flachem Absatz natürlich, da nicht
zu erwarten war, daß Quin, der inzwischen seinen einunddreißigsten Geburtstag
hinter sich hatte, noch wachsen würde –, warfen junge Mädchen in allen Teilen
Northumberlands letzte prüfende Blicke in den Spiegel, banden junge Männer
ihre schwarzen Smokingschleifen oder zogen die Jacken ihrer Ausgehuniformen
über, um sich auf den Weg nach Bowmont zu machen. Diese meerumschlungene
Festung nämlich, die, während ihr Herr meist durch Abwesenheit glänzte, von
einer strengen Hüterin verwaltet wurde, war immer etwas Besonderes gewesen –
und vielleicht wußten sie, was Quin wußte: daß das Schicksal an die Tür klopfte
und Vergnügen jetzt Pflicht war.
    Ann Rothley und Helen Stanton-Derby
waren früher gekommen, um Frances zu helfen. Helen hatte Ladungen rost- und
goldfarbener Chrysanthemen mitgebracht, Hagebutten und Waldrebe, und
verschwand mit mehreren Rollen Blumendraht, um den Salon in eine
farbenprächtige herbstliche Laube zu verwandeln, während Ann nach oben gegangen
war, um Frances bei der Toilette zu beraten. Jetzt saßen die drei Frauen in der
großen Eingangshalle und tranken vor dem Eintreffen der Gäste ein
wohlverdientes Glas Sherry.
    «Es ist doch alles wunderschön
geworden», sagte Ann. «Warte nur, der Abend wird bestimmt ein riesengroßer
Erfolg.»
    «Hoffentlich.» Frances sah müde aus.
    «Aber sicher, noch dazu, wo Verena
sich so heldenhaft benommen

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