Die Morgengabe
interessieren sollte, das, was mir
gehört, werde ich weggeben. Übernächstes Jahr geht Bowmont in den Besitz des
National Trust über.»
Sie schnappte nach Luft. Sie war
völlig verwirrt und, schlimmer noch, zutiefst bestürzt; sie hatte das Gefühl,
einen Schlag in den Magen bekommen zu haben.
«Den ganzen Besitz?» stammelte sie.
«Das Haus und den Park und den Garten und den Hof?»
«Ja.» Er hatte seinen Gleichmut
wiedergefunden. «Sie als gute Sozialdemokratin wird das doch sicher freuen.»
Sie nickte. «Ja», antwortete sie
mühsam. «Es ist bestimmt das richtige. Es ist nur ...»
Aber was es «nur» war, konnte sie
nicht in Worte fassen. Daß sie tief getroffen war vom Verlust eines Orts, der
mit ihr nichts zu tun hatte, den sie nie wiedersehen würde. Daß sie sich
Bowmont anverwandelt hatte, seine Felsen und Blumen, seinen Duft und seine
hellen Strände ... In ihrem Leben mit Heini würde sie viel Zeit mit Warten
zubringen müssen; in muffigen Zimmern, in überfüllten Zügen. Wie die Nonnen in
mittelalterlichen Klöstern, die goldene Bäume und kristallene Flüsse in ihre
Gobelins woben, hatte sie sich einen Traum von Bowmont gesponnen: von Pfaden,
auf denen sie wandern konnte, von einer verblichenen blauen Tür in einer hohen
Mauer. Und der Traum meinte Bowmont so, wie es war – als Quins Reich, als einen
Ort, an dem eine gallige alte Frau Blumen mit Zärtlichkeit pflegte.
«Tun Sie es zum Nutzen der
Allgemeinheit?» fragte sie.
Quin zuckte die Achseln. «Ich
bezweifle, ob die Allgemeinheit wer auch immer sie ist – großes Interesse an
Bowmont hat; das Haus ist nichts Besonderes. Den Leuten liegt vor allem am
Zugang zum Meer, vermute ich, und das ließe sich mit ein paar zusätzlichen
Wegerechten arrangieren. Ich kann leider Ihre Leidenschaft für < die
Allgemeinheit > nicht teilen. Man weiß ja nie genau, wer sie eigentlich
ist.»
«Warum tun Sie es dann?»
Quin nahm ihr die Fotografie seiner
Mutter aus den Händen. «Sie haben sich über mich mokiert, als ich sagte, ich
hätte sie umgebracht. Aber es ist wahr. Mein Vater wußte, daß sie keine Kinder
bekommen sollte. Sie war sehr krank gewesen – sie lernten sich in der Schweiz
kennen, als er dort im diplomatischen Dienst war. Sie war in einem Sanatorium,
sie hatte Tuberkulose gehabt. Er wollte ein Kind. Er wollte einen Erben für
Bowmont. Um jeden Preis.»
«Ja, und?» Ruth zuckte die Achseln.
Sie erschien ihm plötzlich erbarmungslos; erwachsen, nicht länger seine
Studentin, sein Schützling. «Das wollten Männer doch immer schon. Der Tabakhändler
möchte einen Erben für seinen Laden ... der ärmste Rabbi möchte einen Sohn, der
für ihn den Kaddisch betet, wenn er tot ist. Warum bauschen Sie das so auf?»
«Wenn ein Mann eine Frau zur
Schwangerschaft zwingt ... wenn er ihr Leben aufs Spiel setzt, nur damit er vor
seinen eigenen Vater –, den Vater, mit dem er sich entzweit hatte und den er
haßte – hintreten und sagen kann: < Hier ist ein Erbe > – dann macht er
sich schuldig.»
Aber das akzeptierte sie nicht. «Und
sie? Glauben Sie, daß sie so schwach war? Glauben Sie, daß sie es nicht wollte?
Sie war tapfer und mutig – sehen Sie ihr doch ins Gesicht. Sie hat sich ein
Kind gewünscht. Nicht für Bowmont und nicht für Ihren Vater. Sie wollte ein
Kind haben, weil es wunderbar ist, ein Kind zu haben. Warum billigen Sie Frauen
nicht zu, daß sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können? Warum dürfen sie
nicht genau wie die Männer ihr Leben riskieren? Sie haben das gleiche Recht
dazu.»
«Zum Beispiel, um eine
Promenadenmischung aus dem Wasser zu retten?» fragte er spöttisch.
«Ja. Für alles, was sie für richtig
halten.» Dennoch senkte sie den Kopf; sie wußte, daß sie nicht nur ihr eigenes
Leben aufs Spiel gesetzt hatte, sondern auch seines und vielleicht Sams – daß
seine Grausamkeit unten auf dem Boot eine Ursache gehabt hatte. «Ich bin auch
ein Mischling», sagte sie leise. «Und außerdem hat Ihre Tante ihn sehr lieb.»
«Was? Das Hündchen? Wie kommen Sie
denn auf diese Idee? Sie bemüht sich doch ständig nur, es loszuwerden.»
Wieder zuckte Ruth die Achseln.
«Mein Vater sagt immer: < Höre nicht darauf, was die Leute sagen, sieh
dir an, was sie tun. > Warum hat sich Ihre Tante ausgerechnet den
Zimmermann ausgewählt – jeder weiß doch, daß seine Frau Asthma hat und keine
Tiere ins Haus dürfen? Warum ausgerechnet den Wirt vom Black Bull, dessen
Mutter als kleines Mädchen von einem Schäferhund
Weitere Kostenlose Bücher