Die Morgengabe
über luftdurchlässige
Unterwäsche, die sie mit ihm geführt hatte, schien ihr ein Hinweis darauf, daß die Zeit
strenger Geheimhaltung nun vorüber sei.
Quin wurde also zum Tee eingeladen,
und da er sich der Tatsache bewußt war, daß dies sein letztes
gesellschaftliches Beisammensein mit der Familie Plackett sein würde, bemühte
er sich, liebenswürdig zu sein.
Es war ein schöner Frühsornmertag,
die Terrassentüren waren weit geöffnet, der Blick hinaus war Quin aus früheren
Jahren vertraut, als Placketts Vorgänger noch gelebt hatte und die Gespräche
zwanglos und amüsant gewesen waren.
«Wollen wir nicht einen Moment auf
die Terrasse hinausgehen?» schlug Verena vor, und er nickte und folgte ihr,
während Lady Plackett taktvoll zurückblieb. An die Brüstung gelehnt, ließ Quin
seine Gedanken schweifen, während er zum träge dahinströmenden Fluß
hinuntersah.
«Du lebst immer irgendwo am Wasser,
nicht wahr?» hatte die törichte kleine Tansy Mallet gesagt, und es stimmte, er
lebte immer am Wasser, wenn es irgend möglich war, und würde wahrscheinlich
auf ihm sterben, denn er war immer noch entschlossen, im Kriegsfall zur Marine
zu gehen.
Wasser, Flüsse verbanden auch ihn
und Ruth: die Arve, die sie mit einem Rucksack auf dem Rücken hatte durchschwimmen
wollen ... die Donau, die Mishak seinen Herzenswunsch erfüllt hatte ... und die
Themse, an der sie in jener Nacht gestanden hatten, die, wie er geglaubt hatte,
ihre Liebe besiegelte. Plötzlich wurde Quin von einer so qualvollen Sehnsucht
nach Ruth erfaßt, daß er meinte, er müßte daran sterben. Und noch während er
versuchte, sich gegen diesen Schmerz, der ihn zu Boden zu werfen drohte, zu
wehren, begann Verena, die neben ihm stand, zu sprechen. Im ersten Moment
konnte er ihre Worte gar nicht hören. Erst als sie sie wiederholte und dabei
eine Hand auf seinen Arm legte, gelang es ihm, den Sinn ihrer Worte zu
erfassen.
«Ist es nicht Zeit, daß wir es
publik machen, Quin?» fragte sie, und er fuhr zurück vor der Vertraulichkeit,
dem Unterton in ihrer Stimme.
«Daß wir was publik machen?»
«Daß Sie mich nach Afrika mitnehmen
werden. Sie sehen, ich weiß es schon. Brille-Lamartaine hat mir erzählt, daß
Sie die Absicht haben, eine Ihrer Studentinnen, die jetzt Examen machen,
mitzunehmen, und Milner hat es bestätigt. Sie hätten mir vertrauen können.»
Quin war entsetzt. Zu spät sah er
den Pfad von Mißverständnissen, der zu diesem Augenblick geführt hatte. Aber
Ruths Bild war noch so frisch in seinem Herzen, der Schmerz um sie noch zu
bitter, als daß er hätte höflich sein können. Was er sagte, war grausam, doch
er konnte nicht anders.
«Um Gottes willen, Verena», sagte
er, «Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte Sie mitnehmen wollen!»
Die Abschlußexamen fanden in der King's Hall statt, einem
großen roten Backsteinbau, häßlich und abschreckend, dessen Mauern von der
Furcht von Generationen von Prüflingen getränkt zu sein schienen. Dunkle
Holzbänke standen in angemessenem Abstand voneinander zu Füßen eines hohen
Podiums, auf dem die Aufsichtspersonen saßen. Große Schilder verboten das
Rauchen, das Essen, das Sprechen. Eine Uhr, die zwischen Porträts rotgesichtiger
Vizekanzler hing, tickte erbarmungslos, und auf dem fleckigen Holzboden lag
kein Teppich.
Tag für Tag hatten sich Ruth und
ihre Freunde mit flatternden Mägen zu diesem schrecklichen, kargen Ort begeben,
hatten bleich vor Furcht und Schlaflosigkeit vor der Tür gewartet, versucht,
sich die Zeit mit Witzen zu vertreiben, bis es läutete und sie hineingelassen
und mit Nummern versehen wurden wie Sträflinge, um dann zu den häßlichen Pulten
mit den blauen Mappen und den weißen Löschblättern zu gehen, die sie noch Jahre
später im Traum sehen würden.
Aber heute war die letzte Prüfung,
wenn auch die wichtigste. In drei Stunden würden sie frei sein! Die
paläontologische Prüfung war heute an der Reihe, die, in der Ruth ganz
besonders zu glänzen gehofft hatte. Jetzt hoffte sie nur noch, irgendwie
durchzukommen.
«Du schaffst es schon, Pilly.» So
schlecht es ihr selbst ging, schaffte es Ruth doch, der Freundin
ermutigend zuzulächeln. «Mach als erstes die Kurzfragen, da kannst du dir immer
ein paar Punkte holen.»
Es läutete. Die Tür wurde geöffnet.
Selbst an diesem strahlenden Junimorgen war es kalt im Saal. Die beiden
Aufsichtspersonen auf dem Podium waren ihnen fremd; Dozenten einer anderen
Fakultät: eine Frau mit einem strengen Knoten
Weitere Kostenlose Bücher