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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Jahren
in eine Schweizer Heilanstalt gebracht. Er war total verrückt – als sie seine
Wohnung ausräumten, fanden sie massenhaft Damenunterwäsche, die er in
Geschäften gestohlen hatte, und seine Haushälterin hat er wie Dreck behandelt.»
    Damit war es klar. Ein Mann konnte
verrückt sein, und man konnte dennoch auf sein Wort hören; selbst daß er ein
Unterwäschefetischist war, konnte man ihm verzeihen – aber die Haushälterin
schlecht zu behandeln, das ging wirklich zu weit. Und ohne weitere Skrupel gab
Ruth ihren langen Kampf, Verena Plackett zu lieben, auf.
    Das Ergebnis der ersten Runde des
Klavierwettbewerbs überraschte niemanden. Heini war ebenso weitergekommen wie
die beiden Russen und Leblanc; und die zweite Runde bestätigte die allgemeine
Überzeugung, daß der Sieger unter diesen vier zu suchen sei. Doch die Russen,
wenn auch hochbegabt, waren unter dem «Schutz» ihrer Begleiter in ihren Hotels
eingesperrt, und Leblanc war ein unzugänglicher, strenger
Mann, der es einem nicht leichtmachte, ihn zu mögen. Heini mit seiner
gewinnenden Art und seiner romantischen Liebe, von der mittlerweile alle
wußten, war der eindeutige Liebling des Publikums, als die Zeit des Finales in
der Albert Hall kam.
    «Mir ist so übel», sagte Ruth, und Pilly, die neben
ihr saß, drückte ihr tröstend die Hand.
    «Er gewinnt bestimmt, Ruth. Ganz
sicher. Alle sagen es.»
    Ruth nickte. «Ja, ich weiß. Aber er
war so nervös, weißt du. Und letzte Nacht ist er dauernd aufgewacht.»
    Ruth selbst war die ganze vergangene
Nacht wach gewesen, hatte für Heini Kakao gekocht, ihm den Kopf gestreichelt,
bis er schlief, unfähig, selbst ein Auge zuzutun. Aber das war dieser Tage
nichts Besonderes.
    Überraschend viele Zuhörer hatten
sich zur letzten Runde des Bootheby-Klavierwettbewerbs in der Albert Hall
eingefunden. Von den sechs Finalisten hatten drei bereits am Vortag gespielt:
einer der Russen, ein Schwede und Leblanc, den Heini ganz besonders fürchtete.
Heute – am letzten Tag – würde die hübsche Amerikanerin, Daisy MacLeod, mit Tschaikowsky
anfangen, und den Schluß würde der hochgewachsene Russe, Selnikow, mit
Rachmaninow bilden. Dazwischen mußte Heini spielen. Er war enttäuscht gewesen,
als sie die Lose gezogen hatten; er hatte gehofft, als letzter spielen zu
können. Man mochte sagen, was man wollte, der letzte Vortragende blieb den
Leuten immer am lebhaftesten im Gedächtnis.
    Die Orchestermitglieder nahmen ihre
Plätze ein. Dann folgte der Dirigent. Berthold und das BBC-Symphonie-Orchester
für diese Konzerte zu bekommen, war eine große Leistung der Organisatoren.
Heini, der am Morgen mit ihnen geprobt hatte, war begeistert gewesen.
    Leonie, die auf Ruths anderer Seite
saß, drehte den Kopf und lächelte ihrer Tochter zu. Sie war extra von
Manchester heruntergekommen und wollte bis nach den Examen in der folgenden
Woche bleiben. In ihre tiefe Besorgnis um Ruth, der es offensichtlich nicht
gutging, mischte sich die Angst, ihre Tochter schon bald zu verlieren, denn sie
wußte, daß Heini nach Amerika gehen würde, wenn er in diesem Wettbewerb siegen
sollte.
    «Du darfst es dir nicht anmerken
lassen», hatte ihr Mann gesagt. «Du mußt es ihr wünschen. Dort ist sie in
Sicherheit, und das ist das einzig Wichtige.»
    Seit März, als Hitler, mit dem
Sudentenland nicht zufrieden, in Prag einmarschiert war, glaubten nur noch
wenige Menschen an den Frieden.
    Die ganze Reihe war von Ruths
Freunden und Verwandten besetzt. Neben Pilly saßen Janet und Huw und Sam. Der
Doktorand aus der deutschen Abteilung war da; Mishak und Hilda ... sogar Paul
Ziller war gekommen, und das war eine Ehre. Ziller ging dieser Tage viel im
Kopf herum; der Chauffeur aus Northumberland ließ einfach nicht locker, wollte
unbedingt vorspielen. Von allen Seiten wuchs der Druck auf Ziller, ein neues
Quartett zu gründen.
    Es war heiß in dem Saal mit dem
Kuppeldach. Leonie, die selbst um drei Uhr nachmittags wie eine ernsthafte
Konzertbesucherin in schwarzen Rock und gestärkte weiße Bluse gekleidet war,
fächelte sich mit ihrem Programm Kühlung zu. Und jetzt kam Daisy MacLeod
heraus, in einem hübschen blauen Kleid, das dunkle Haar zurückgebunden. Sie
lächelte scheu ins Publikum, und ein Sturm von Applaus begrüßte sie. Das
Tschaikowsky-Konzert war das richtige für sie. Sie war sehr jung; es gab ein
paar Stolperer, und ein-, zweimal kam sie aus dem Tempo, aber Berthold führte
sie zurück, und insgesamt war ihr Vortrag ausgesprochen

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