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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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fragte: «Darf ich es
mir ansehen?»
    Mrs. Burtt packte ihr Geschenk aus.
«Ist es nicht hübsch geworden?» fragte sie stolz. «Ich hab Stunden dafür
gebraucht. Das Muster ist verflixt schwierig. Ich hab sicherheitshalber weiße
Wolle genommen. Sie kann ja dann ein hellblaues oder ein rosa Band durchziehen
– je nachdem.»
    Leonie litt immer noch an Atemnot.
«Vielen Dank, da wird sie sich aber freuen. Es ist ein süßes Jäckchen. Ich
werde sehen, daß sie es bekommt, und ihr ausrichten ... was Sie ... gesagt
haben.»
    Mrs. Burtt schüttelte den Kopf.
«Gott bewahre. Sie war ja noch nie ein Plappermaul. Aber wir waren zu Hause
vier Mädchen, und ich habe selbst drei Töchter. Ich hab's ziemlich bald
gemerkt. Diese Übelkeit – das war keine Magen- und Darmgrippe. Und dann war sie
ja auch immer so schnell müde. Ich hab's ihr auf den Kopf zugesagt, und ich
glaube, es war eine Erleichterung für sie, mit jemand reden zu können.»
    «Und ... hat sie Ihnen auch erzählt
... was sie vorhatte? Wohin sie gehen wollte?»
    «Nein. Und ich hab auch nicht danach
gefragt. Ich hab gewußt, daß nicht Heini der Vater war, aber das ging mich
nichts an.» Leonie hob den Kopf. «Woher wußten Sie das?»
    «Na ja, man hat doch gesehen, daß
sie ihn nicht liebt, oder? Sie hat sich die ganze Zeit viel zu sehr bemüht ...
Und wenn er's nicht war – wie gesagt, ich wollte nicht neugierig sein.»
    «Ich ... habe nicht so klargesehen
wie Sie», sagte Leonie in ihrer tiefen Verzweiflung.
    Mrs. Burtt legte ihr flüchtig die
schwielige Hand auf den Arm. «Sie beide sind sich so nah», sagte sie. «Sie
lieben Ruth sehr, und die Liebe, die kann einen schon umbringen.»
    Als Kurt Berger nach Hause kam, fand
er seine Frau noch immer im Schock.»Was ist denn passiert, Leonie? Was hast du
da in der Hand?»
    «Das ist ein Babyjäckchen.» Sie
strich mit den Fingern über die feine Wolle. «Mrs. Burtt hat es für Ruth
vorbeigebracht.»
    Sie sah, wie sich das Gesicht ihres
Mannes veränderte. Sie sah die Ungläubigkeit, die Bestürzung – dann den Zorn.
«Mein Gott, dieser Schuft, dieser Heini! Ich werde ihn zwingen, sie zu heiraten»,
rief er erregt.
    «Nein, Kurt, es ist nicht Heinis
Kind. Wenn es seins wäre, dann wäre sie mit ihm gegangen.»
    Das war noch schlimmer. Seine
geliebte, behütete Tochter eine Sünderin, Mutter eines unehelichen Kindes! Er
tat Leonie leid, doch sie hatte nicht die Kraft, ihn aus seiner konventionellen
Hölle moralischer Entrüstung zu befreien. Was habe ich da nur nicht verstanden?
dachte sie unablässig. Was fehlt hier? Und wenn ich von Anfang an recht hatte,
wie konnte es dann hierzu kommen?
    Draußen läutete es, schrill und
fordernd. Leonie und Kurt rührten sich nicht.
    «Was willst du tun?» fragte er, und
seine Hilflosigkeit rührte sie. «Ich sage dir, was ich tun werde», begann sie.
    Wieder läutete es, und nun hörten
sie, wie Fräulein Lutzenholler ihre Tür öffnete und empörten Schrittes die
Treppe hinuntermarschierte.
    Wenig später kam sie zurück, so
verdrossen, wie Leonie es erwartet hatte, in Begleitung eines rotgesichtigen
Mannes, der eine Art Uniform trug.
    «Das ist der Mann von der
Desinfektionsanstalt», sagte Fräulein Lutzenholler. Als Leonie diesen Mann, den
sie Wochen und Monate verzweifelt herbeigewünscht hatte, verständnislos ansah,
fügte sie hinzu: «Er ist wegen der Mäuse gekommen.»
    «Ach ja, vielen Dank.» Leonie stand
auf, versuchte sich zu fassen. «Bitte, lassen Sie sich nicht stören. Sie sind
überall. Am schlimmsten ist es in der Küche – und im hinteren Zimmer.»
    «In Ordnung, Madam. Ich fang gleich
an. Scheint ja eine rechte Plage zu sein. Kann sein, daß ich ein paar
Bodendielen rausreißen muß.»
    Er ging aus dem Zimmer. Sie hörten
ihn umhergehen, die Wände abklopfen, Schränke öffnen.
    «Ich sage dir, was ich tun werde»,
wiederholte Leonie, sich wieder ihrem Mann zuwendend. «Ich gehe mit Ruths Brief
zur Post und lasse mir sagen, woher er kommt, und dann fahre ich dorthin und
suche sie. Und wenn ich sie gefunden habe, bringe ich sie hierher und kümmere
mich um sie und mein Enkelkind. Es ist mir egal, wer der Vater ist. Wenn Ruth
sich ihm hingegeben hat, dann weil sie ihn geliebt hat, und sie ist mein Blut
und deines auch, und deshalb wirst du jetzt nicht ...»
    Es klopfte, und der Kammerjäger trat
wieder ein.
    «Das hier habe ich unter den Dielen
im hinteren Zimmer gefunden», sagte er und stellte eine große Keksdose auf den
Tisch. Sie war mit

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