Die Morgengabe
später
unter geradezu abenteuerlichen Umständen. Ein Reiter, der in einer Staubwolke
über die Ebene gefegt kam, zügelte vor ihm sein Pferd und reichte ihm einen
Brief.
«Es ist also passiert», sagte Quin,
und der Afrikaner nickte. Die Männer, die in den Felsen gearbeitet hatten,
legten einer nach dem anderen ihre Werkzeuge nieder.
Sie brauchten nicht zu fragen, was geschehen war. Der Commissioner in Lindi
hatte versprochen, sie unverzüglich zu informieren, und er hatte Wort gehalten.
«Wir fahren also wieder nach Hause?»
fragte Sam und trank sich noch einmal an der blauen Unermeßlichkeit des Himmels
und der braunen Weite der Ebenen satt.
Quin legte ihm einen Arm um die
Schultern. «Ja», antwortete er. «Unverzüglich.»
In den ersten Kriegswochen gab es diverse Krisen in Belsize
Park, keine jedoch war feindlichen Angriffen zuzuschreiben. Die alte Dame von
nebenan stieß bei der Verdunkelung mit einem Laternenpfahl zusammen und wurde
zu Dr. Levy gebracht, der jetzt wieder praktizieren durfte. Ein
wichtigtuerischer Luftschutzwart trieb Miss Violet in einen hysterischen
Anfall, indem er sie beschuldigte, eine deutsche Spionin zu sein, weil
zwischen den Vorhängen ihres Schlafzimmers Licht hindurchschimmerte. Leonie,
die jetzt in einer Militärkantine arbeitete, bekam einen Rüffel, weil sie die
Margarine auf den Broten der Soldaten nicht dünn genug strich.
Als endlich ein Brief aus Amerika
kam, war er nicht von Ruth, sondern von Heini, und als Leonie ihn gelesen
hatte, war sie nur noch ein zitterndes Nervenbündel. Heini bedankte sich bei
ihnen für ihre Gastfreundschaft in den vergangenen Jahren und schloß eine
Nachricht für Ruth ein.
«Ich möchte ihr keine Vorwürfe
machen», schrieb er, «denn es war im Grunde nur anständig von ihr, mir zu
sagen, daß sie mich nicht liebt und nicht mit mir zusammenleben möchte. Aber
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie mir zumute war, ganz allein auf der
Überfahrt in ein unbekanntes Land. Zum Glück wurde ich hier sehr herzlich
aufgenommen. Die Amerikaner sind so warmherzig, wie man das immer hört, und
mein Debüt in der Carnegie Hall war ein Triumph. Bitte sagt das Ruth, und sagt
ihr auch, daß nun eine andere Frau in mein Leben getreten ist, eine sehr
musikalische Frau, die etwas älter ist als ich und ihren Einfluß geltend macht,
um mich zu fördern. Ich lebe mittlerweile mit ihr zusammen in einer herrlichen
Wohnung direkt am Central Park. Ruth braucht sich also keine Vorwürfe zu machen – sie
darf aber auch nicht glauben, daß sie zu mir zurückkehren kann. Ich werde mich
ihrer immer mit Wärme erinnern, aber das alles gehört nun der Vergangenheit
an.»
Leonie kauerte zitternd in einem
Sessel. «Mein Gott, Kurt, was ist da geschehen? Wo ist sie? Warum hat sie uns
nichts gesagt?»
«Beruhige dich, Leonie. Es gibt
bestimmt eine Erklärung.» Aber während Kurt Berger seiner Frau über den Rücken
strich, hatte er selbst größte Mühe, ruhig zu bleiben.
«Wir müssen zur Polizei gehen. Sie
müssen sie finden», sagte Leonie.
«Erst sehen wir mal, was wir auf
eigene Faust herausfinden.»
Aber sie fanden nichts heraus.
Pilly, der sie telegrafierten, hatte nicht von Ruth gehört; ebensowenig Janet.
Alle in Thameside glaubten, Ruth sei in Amerika. Schluchzend flehte Leonie Gott
um Hilfe an und versprach ihm wieder einmal, immer ein guter Mensch zu sein, und
tatsächlich kam eines Nachmittags ein Brief, mit dem Hilda sofort ins Willow eilte.
«Er ist eben gekommen – das ist doch
Ruths Schrift, das weiß ich genau!»
Es wurde still im Café, als der
Umschlag geöffnet wurde. Es blieb still, während Leonie und ihr Mann lasen, was
Ruth geschrieben hatte.
«Sie ist in Sicherheit», sagte
Leonie endlich. «Und sie ist in England. Auf dem Land. Sie arbeitet dort.»
«Warum dann das lange Gesicht?»
fragte von Hofmann, der seit Kriegsausbruch ein vielbeschäftigter Mann war. Die
Filmgesellschaften drehten ganze Serien von Antinazifilmen, und er hatte sich
die Rolle eines SS-Offiziers gesichert, der nicht nur «Schweinehund!», sondern
auch «Gott im Himmel!» rief, bevor er eines sehr unerquicklichen Todes starb.
«Sie möchte allein sein.» Leonies
Lippen bebten.
«Wie Greta Garbo?» erkundigte sich
die Dame mit dem Pudel.
Leonie schüttelte verwirrt den Kopf.
«Ich versteh das nicht. Sie schreibt, sie müsse auf eigenen Füßen stehen, sie
müsse lernen, sich allein zu entwickeln. Sie werde später zurückkommen, aber
jetzt müßte sie erst einmal
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