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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Enttäuschung
beschloß Ruth, das Beste aus der Situation zu machen. «Es ist gar nicht so
schlimm», sagte sie. «Ich möchte sowieso weiterarbeiten, um euch zu helfen, und
Heini, wenn er kommt.»
    Doch für Kurt und Leonie Berger war
Ruths Ablehnung ein großer Schlag. Sie hätten jedes Ungemach auf sich genommen,
um ihrem Kind eine freundlichere Zukunft zu ermöglichen. Ruth sollte nicht ihr
Leben in der tristen Welt der Flüchtlinge fristen, in einer Welt der niedrigen
Arbeiten und der Armut, der ständigen Sorge um Genehmigungen und der Angst,
ausgewiesen zu werden.
    «Vielleicht sollte ich mich mit
Quinton Somerville in Verbindung setzen», meinte Kurt Berger an diesem Abend,
nachdem Ruth zu Bett gegangen war. «Er würde Ruth sicher helfen.»
    «Nein, tu das nicht.»
    Kurt Berger sah seine Frau erstaunt
an. «Warum nicht?»
    Leonie, die für logische Überlegung
nie viel übrig gehabt hatte und lediglich einem Gefühl folgte, das so nebulös
war, daß sie es nicht erklären konnte, sagte nur, sie hielte es eben nicht für
einen guten Gedanken – und in den folgenden Tagen kam keiner dazu, viel über
persönliche Dinge nachzudenken.
    Alle Klischees, die später über die
tschechische Krise geschrieben wurden, waren wahr. Es war tatsächlich so, daß
die Welt den Atem anhielt; daß sich Gewitterwolken über Europa zusammenzogen;
daß Fremde auf der Straße stehenblieben, um einander nach Neuigkeiten zu
fragen. Dann flog Neville Chamberlain, dieser obstinate alte Mann, der noch nie
in einem Flugzeug gesessen hatte, zu Hitler, kam wieder nach Hause, flog noch einmal
nach Deutschland und kehrte schließlich mit einem Papier zurück, an das er
rückhaltlos glaubte und das er den Menschen mit den Worten «Friede in unserer
Zeit» präsentierte.
    Es gab viele, die von falscher
Nachgiebigkeit sprachen, und viele – unter ihnen natürlich die Flüchtlinge –,
die wußten, was Hitlers Versprechungen wert waren, und daß die Tschechen
verraten worden waren. Aber wer konnte denn einen Krieg wollen? Während sich
vor dem Buckingham-Palast jubelnde Menschen drängten, tanzte Ruth mit Mrs.
Burtt durch die Küche hinter dem Tea-Room, weil Heini nun kommen und Mrs.
Burtts Trevor sicher und wohlbehalten in seinem eigenen Bett schlafen konnte.
    In dieser Zeit neuer Hoffnung, als
in den Körben der Blumenhändler goldene und rostrote Chrysanthemen glühten und
kleine Jungen bei Nummer 27 klingelten, um die Kastanien zu holen, die Onkel
Mishak auf seinen Streifzügen gesammelt hatte, fand Kurt Berger eines Tages bei
der Heimkehr Ruth in einen Brief vertieft und war erstaunt über ihr glücklich
strahlendes Gesicht.
    «Von Heini?» fragte er. «Kommt er?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein, er
ist von der University of Thameside. Sie haben einen Studienplatz für mich. Ich
kann nächste Woche anfangen.»
    Er nahm den Brief, den sie ihm
hinhielt. Die Unterschrift sagte ihm nichts, aber das konnte ihn nicht
täuschen.
    «Da steckt Somerville dahinter»,
sagte er, und ein Stein fiel ihm vom Herzen. Der Gedanke, das sein junger
Protegé ihn und seine Familie vergessen haben könnte, hatte sehr geschmerzt.
«Er ist dort Professor für Zoologie.» Und streng fügte er hinzu: «Ich weiß, du
wirst dich seiner Güte würdig erweisen.»
    Sie hatte sich hinter ihr Haar
zurückgezogen, um ihrer Verwirrung Herr zu werden, und blieb dort – bildlich
gesprochen – bis spät abends, bis Tante Hilda endlich eingeschlafen war und
sie das Fenster aufmachen und sich in die rußige Nachtluft hinauslehnen konnte,
um zu versuchen, ruhig zu werden und klarzusehen.
    Warum hatte er es getan? Warum hatte
Quin, der ihr klipp und klar gesagt hatte, es sei das beste, wenn sie einander
nie wiedersähen, sie als Studentin in seine Abteilung aufgenommen? Was hatte
ihn veranlaßt, wider seine bessere Einsicht zu handeln und die Warnungen seines
Anwalts bezüglich des möglichen Kollusionsverdachts in den Wind zu schlagen,
um ihr diese Chance zu geben?
    Aber was zählten schon die Motive!
Er hatte es getan, und nun lag die Zukunft hell und freundlich vor ihr. Sie
würde die fleißigste Studentin werden, die man in Thameside je gehabt hatte.
Sie würde arbeiten wie besessen, um als Beste ihres Jahrgangs abzuschneiden, um
alle zu übertreffen, und sie würde es tun, ohne mit ihm Kontakt aufzunehmen,
ohne ihm auch nur durch einen Blick zu nahe zu treten.
    Der Gedanke, daß Quin mit ihrer
Aufnahme vielleicht gar nichts zu tun hatte, daß er möglicherweise nicht

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