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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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plötzlich
aufgeregt.
    «Ich war nie auf dem Riesenrad im
Prater. Ich bin nie auf der Donau Boot gefahren. Ich habe Franz Joseph nie aus
der Hofburg kommen sehen, ich kann mich überhaupt nicht an Wien erinnern, weil
ich nie in meinem Leben in Wien gewesen bin. Ich war nur in Prez und einmal in
Berlin, das ist alles. Darum gehen Sie jetzt bitte. Ich bin nur eine arme alte
Frau, und meine Schwiegertochter zwingt mich, in feuchter Luft zu schlafen, und
es wäre bestimmt für alle am besten, wenn ich tot wäre.»
    Dieser Gefühlsausbruch, der im
ganzen Lokal zu hören war, stieß natürlich bei allen auf große Teilnahme.
Während Ziller und Dr. Levy den erschütterten Hoyle beruhigten, tröstete Ruth
die alte Dame – und Miss Maud und Miss Violet hatten unter diesen Umständen
(und weil Mr. Hoyles Artikel, falls er veröffentlicht würde, sicher
geschäftsfördernd wirkte) nichts dagegen, daß zwei Tische zusammengeschoben
wurden.
    Nun füllte sich Martin Hoyles Heft
sehr rasch mit brauchbaren Geschichten und Anekdoten. Dr. Levy erzählte, wie er
bei der Entfernung einer Fischgräte aus dem Hals des Erzherzogs Otto mitgewirkt
hatte; Paul Ziller schilderte, wie ihn bei der Uraufführung von Schönbergs Verklärte
Nacht eine Tomate ins Gesicht getroffen hatte, und von Hofmann gab die
klassische Anekdote von Tosca zum besten, die nach ihrem Todessprung von der
Burgmauer von einem zu stramm gespannten Trampolin wieder in die Höhe
geschleudert wurde.
    Doch am meisten interessierte Martin
Hoyle die Kellnerin des Willow, die ihn ebenfalls an ihren Erinnerungen
teilhaben ließ, denn ihm war plötzlich klargeworden, was seiner Story fehlte.
Die Liebe fehlte ihr. Liebe und Jugend und ein zentrales Thema. Eine junge
Frau, die auf den geliebten Mann wartete und für ihn arbeitete. Liebe, das war
es doch, was die Leser wollten. Liebe im Tea-Room Willow ... Liebe in
Wien und in Belsize Park. Wenn nur die junge Frau mit ihm sprechen würde, dann
würde er seine Story verkaufen, dessen war er sicher.
    Und Ruth sprach mit ihm; von Heini
zu erzählen, war ihr Wonne und Vergnügen. Während sie zwischen den Tischen hin
und her flitzte, erzählte sie ihm von Heinis triumphalen Erfolgen am
Konservatorium, und wie er auf der Wiese oberhalb vom Grundlsee dazu inspiriert
worden war, eine Alpenetüde zu schreiben. Er hörte von Heinis Leidenschaft für
heiße Maroni, die man überall an den Straßenecken der Innenstadt bekam – und
daß er im Alter von zwölf Jahren ein Mozart-Klavierkonzert gespielt hatte, für
dessen Rondo im letzten Satz das Gezwitscher eines Stars als Vorlage gedient
hatte, was Mr. Hoyle sehr erstaunte, da er Stare bisher nur als laute
Beschmutzer von Bahnhofsdächern kannte.
    «Er wird es sicher auch hier
spielen», sagte Ruth. «Dann müssen Sie unbedingt kommen.»
    Eine Stunde spáter klappte Hoyle
sein Heft zu und verabschiedete sich, nicht ohne sich großzügig zu
revanchieren, wie sich zeigte, als Ruth seinen Teller abräumte. Darunter lag
säuberlich gefaltet eine knisternde Banknote, die sie selig in die Küche trug.
    «Schaut her!» rief sie. «Schaut
doch! Zehn Shilling! Ist das nicht fabelhaft?»
    «Dann reicht es jetzt?» fragte Mrs.
Burtt.
    «Ja, jetzt reicht es.»
    Das Klavier wurde gegen Mitte des Vormittags erwartet, doch
Leonie war schon um sechs auf den Beinen, machte die Zimmer sauber, erneuerte
die Pfropfen in den Mauselöchern, kehrte und wischte. Um sieben begann sie zu
backen, aber da ging dann leider nicht mehr alles nach ihrem Plan.
    Die Ankunft von Heinis Klavier war
Leonie relativ gleichgültig, aber Ruth wollte ihre Freunde mit nach Hause
bringen, um das Ereignis zu feiern, und das konnte einen nicht gleichgültig
lassen. Verena Plackett, die in Ruths Berichten von ihrem Tageslauf kaum eine
Rolle spielte, würde nicht mitkommen, dafür aber Priscilla Yarrowby, Sam Marsh,
Janet und der Waliser, der das Klavier auf dem Heimweg vom Rugbytraining in
einem obskuren Laden entdeckt hatte.
    Wäre ihr Mann zu Hause gewesen, so
wäre es Leonie schwergefallen, den jungen Leuten etwas Leckeres anzubieten,
denn das Haushaltsgeld war denkbar knapp; während der Abwesenheit des
Professors jedoch hatten sie höchst bescheiden von Kartoffeln und dem Apfelmus
gelebt, das sie aus den Falläpfeln machte, die Mishak von seinen Streifzügen
mitzubringen pflegte. Und so hatten sie gespart.
    Mit dem Gesparten hatte Leonie nun
zwei Kilo feines Mehl gekauft, frisch gemahlene Mandeln, Puderzucker,
ungesalzene Butter

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