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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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ich richtig zeichnen, keinen Hund, keine Katze, ich kann es einfach nicht. Als ich Papa einmal gefragt habe, warum ich nicht zeichnen kann, hat er gesagt, ich solle mir deshalb keine Sorgen machen, das sei
nun einmal so, manche Menschen könnten eben zeichnen und andere nicht, dafür hätte ich ja andere Gaben und Fähigkeiten. Ich glaube, dass Papa mit den Gaben und anderen Fähigkeiten, die ich habe, mein Gedächtnis und vielleicht auch das Schreiben meint, Papa hat jedenfalls einmal gesagt, dass ich sehr gut schreiben und erzählen könne und dass nicht einmal er selbst manche Dinge so gut beschreiben könne wie ich. Daneben hat Papa natürlich auch mein Klavier spielen gemeint, obwohl er davon nichts gesagt hat, Klavier spielen kann ich jedenfalls auch schon einigermaßen gut.
    Klavier spielen
    Klavier spielen ist auch ein wenig wie dribbeln, jedenfalls dann, wenn ich sehr schnell spiele. Die Etüden von Czerny sind dribbeln, und viele Stücke von Chopin sind dribbeln, und zwar sehr schwieriges Dribbeln.
    Papa sagt, Klavier spielen werde er niemals können, niemals. Man könne ihn jahrelang an ein Klavier setzen, doch auch dann werde er nicht spielen können. Er habe einfach überhaupt keine Begabung für das Klavier.
     
    Mama spielt Klavier
    Mama spielt sehr gut Klavier, aber ohne zu dribbeln.
    Mama spielt oft sehr leise, so dass man ganz genau zuhören muss.
    Mama kann am Klavier flüstern.
    Mama spielt Klavier immer in schönen Kleidern.
    Als Papa aus der Kirche kam, habe ich ihm gesagt, dass ich gerne wieder einmal etwas Klavier spielen würde. »Richtig«,
hat Papa gesagt, und dann hat er gesagt, dass er eben in der Kirche beim Anblick der Orgel auch daran gedacht habe, dass wir möglichst bald ein Klavier finden müssten, damit ich wieder einmal Klavier spielen könne. Wir sind dann noch in eine Wirtschaft gegenüber der Kirche gegangen und haben etwas getrunken. Es wurde sehr warm und immer wärmer, und Papa hat mich gefragt, ob ich das Wandern entlang der Mosel bei dieser Hitze auch aushalten würde. Ich habe »ja, auf jeden Fall« gesagt, und dann sind wir losgewandert. Schon nach wenigen Metern aber hat Papa mich gefragt, welche Stämme früher an der Mosel gelebt hätten, und ich habe ihm von den Kelten und den Römern und davon erzählt, wie der heilige Castor das Christentum an die Mosel gebracht habe. Papa hat gelacht und dann hat er gesagt, dass er gern mein Gedächtnis haben würde und dass ich froh sein könne, ein solches Gedächtnis zu haben. Da habe ich, um Papa zu überraschen, noch »Piesporter Goldtröpfchen«, »Erdener Treppchen« und »Brauneberger Juffer« gesagt, da hat Papa nicht mehr gelacht, sondern ist stehen geblieben und hat »wie bitte?« gesagt. Und da habe ich ihm erzählt, dass er gestern Abend immerzu diese Namen aufgesagt habe, und Papa hat den Kopf geschüttelt und gesagt, mein Gedächtnis sei einfach unglaublich.
     
    Wir haben dann in einem kleinen Ort mit Namen Klotten zu Mittag gegessen. Papa hat Sauerbraten mit Rosinen und Klößen, und ich habe eine Bratwurst mit Pommes frites und Salat gegessen.

    Postkarte 9
    Liebe Mama, wir wandern auf Cochem zu, und Papa sagt, dass wir dort in einer Jugendherberge übernachten werden. Ich weiß nicht, was eine Jugendherberge ist und wie sie aussieht, aber ich werde das alles ja heute Abend noch lernen. Heute ist es sehr heiß, und wir schwitzen ordentlich. Papa trägt wegen der Hitze sogar ein Taschentuch auf dem Kopf. Er sieht sehr komisch aus. Herzliche Grüße von Deinem Bub
    Danach sind wir weiter und weiter immer an der Mosel entlang gewandert. Manchmal haben uns einige Fahrradfahrer überholt und uns laut gegrüßt, und wir haben dann auch gegrüßt und so getan, als hätten wir sehr gute Laune. Wir hatten auch gute Laune, das schon, aber sehr gut waren wir vielleicht nun doch nicht gelaunt, weil es nämlich so heiß war und weil das ewige Wandern uns anstrengte. Papa sagte auch immer wieder, dass wir noch etwas durchhalten und uns vorstellen sollten, nach unserer Ankunft in Cochem schwimmen zu gehen. Das würden wir nämlich sofort nach unserer Ankunft tun, wir würden schwimmen gehen, richtig und lange schwimmen, und wir würden uns dabei von allen Anstrengungen erholen.
    Schwimmen gehen
    Es gibt kaum einen Sport, den ich lieber mache als Schwimmen. Ich habe Schwimmen sogar noch lieber als Fußball. Am liebsten würde ich jeden Tag schwimmen, und am allerliebsten hätte ich ein eigenes kleines Schwimmbad, in dem ich

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