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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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jeden Tag so lange schwimmen könnte, wie ich will.

    Am späten Nachmittag sind wir dann endlich in Cochem angekommen. Wir haben entdeckt, dass die Jugendherberge nicht in Cochem selbst, sondern gegenüber, auf der anderen Seite der Mosel, lag. Die Jugendherberge war ein heller, neuer Bau, der ganz allein mitten in den Weinbergen stand. Ich war sehr gespannt, wie es in der Jugendherberge aussah. Als wir die große Vorhalle betraten, roch es sehr merkwürdig und stark. Es war schon später Nachmittag, aber es roch so, als würde gerade gekocht. Wir mussten uns anmelden, und Papa musste einen Anmeldeschein mit allen möglichen Angaben über unser Leben ausfüllen. Dann mussten wir auch schon bezahlen, die Übernachtung kostete für Papa eine Mark sechzig und für mich 90 Pfennige, das machte zusammen zwei Mark fünfzig. Zwei Mark fünfzig sind für eine Übernachtung zu zweit wirklich nicht sehr viel Geld, das jedenfalls sagte Papa, und er sagte weiter, dass eine Jugendherberge vielleicht nicht unbedingt das schönste, wohl aber das billigste Quartier sei und dass wir ruhig einmal einen Tag etwas sparen könnten. Ich fand es auch gut, einmal etwas zu sparen, obwohl es in der Jugendherberge sehr warm war und es sehr stark nach irgendeinem Essen roch und der Herbergsvater (wie man den Mann an der Anmeldestelle nennt) nicht besonders freundlich, sondern etwas ruppig war.
    Der Herbergsvater
    Der Herbergsvater spricht ziemlich laut und so, als sei er sehr schlecht gelaunt.
    Er schimpft viel und klagt, dass er alles selbst machen müsse.
Er behandelt ältere Leute, als wären sie Kinder, die keine Ahnung von etwas haben.
    Wir haben dann unsere Siebensachen in das sogenannte Sommerhaus und im Sommerhaus in die Etage rechts gebracht, so stand es jedenfalls auf unserem Anmeldeschein. Im Sommerhaus in der Etage rechts haben wir unsere Betten gefunden. Die Betten waren übereinander, das heißt, mein Bett war über Papas Bett. Überall gab es ein unteres und ein oberes Bett, und es gab in dem Raum, in dem wir schliefen, sehr viele Betten, ich konnte sie gar nicht zählen. Die meisten Betten waren leer, andere Betten aber waren auch schon gemacht. Wir haben unsere Betten nicht gleich gemacht, sondern wir haben unsere Siebensachen in einem Schrank untergebracht und sind dann sofort hinunter an die Mosel schwimmen gegangen.
     
    Ich hatte mich die ganze Zeit sehr auf das Schwimmen gefreut, so war das Schwimmen durch das Vorfreuen doppelt schön. Ich bin zunächst zusammen mit Papa in die Mosel gegangen, dann ist Papa aus der Mosel ans Ufer gegangen, und ich habe noch sehr lange allein in der Mosel geschwommen und viel getaucht. Das Moselwasser war gut kühl und sehr erfrischend, und ich habe unter Wasser die Augen aufgemacht und lauter grüne Blubber-Landschaften gesehen, viele große und kleine, grüne Blubber, wie Wackelpudding.

    Nachtisch
    Mir ist aufgefallen, dass es in den Lokalen an der Mosel keinen richtigen Nachtisch gibt. Ich habe jedenfalls noch keinen gegessen, keinen Wackelpudding, keinen Schokoladenpudding, keine Rote Grütze.
    Es gibt auch keinen Obstsalat, aber na gut, das ist nicht so schlimm, weil ich Obstsalat ja gar nicht so mag.
    Dann wurde es langsam Abend. Wir haben noch eine Weile auf einer großen Decke an der Mosel gelegen und etwas gelesen. Ich habe weiter meine »Fury«-Geschichten gelesen, und Papa hat das Buch von Stefan Andres, das Herr B. mir geschenkt hatte, gelesen. Wir waren ganz still und haben gelesen und gelesen, und dann hat Papa plötzlich gesagt, es sei jetzt zu dunkel zum Lesen, deshalb sollten wir nun zum Abendessen gehen.
     
    Wir sind dann zum Abendessen in die Jugendherberge gegangen, und in der Jugendherberge gab es wieder diesen starken Geruch, noch viel stärker als am Nachmittag. Man musste sich das Essen abholen und auf einem Tablett an einen Tisch tragen. Ich trug eine Scheibe Braten und Kartoffelpüree an unseren Tisch, und Papa trug einen Erbseneintopf mit Speck und Würstchen an unseren Tisch. Ich habe noch nie eine so komische Scheibe Braten gegessen, sie schmeckte nämlich gar nicht nach Braten, sondern nach Gummi, und auch das Püree schmeckte seltsam, nämlich nach gar nichts oder nach Streuselkuchen ohne Zucker oder Geschmack. Im Püree schwammen dicke Klumpen von Pulver,
und die Scheibe Braten lag in einer mordsdicken Sauce, die aussah wie ein Pudding.
     
    Ich habe versucht, etwas von der Scheibe Braten und dem Püree zu essen, es ging aber einfach nicht, und so habe ich

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