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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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an der Scheibe Braten und in dem Püree herum gestochert. Plötzlich aber hat Papa laut »pfui Deibel!« gerufen, und da habe ich gesehen, dass in Papas Erbseneintopf ein kleines Pflaster schwamm. Das Pflaster sah beinahe so aus wie ein kleines Würstchen, deshalb hätte Papa es auch beinahe gegessen. Gerade noch rechtzeitig hatte er dann aber entdeckt, dass das anscheinend kleine Würstchen ein Stück Pflaster war, das irgendwer verloren oder absichtlich in die Suppe getan hatte. Papa ist dann aufgestanden und mit seinem Erbseneintopf zur Essensausgabe gegangen. Er hat sich über das Pflaster beschwert, und dann hat er gesagt, dass wir jetzt nichts mehr in der Jugendherberge essen würden, gar nichts mehr, auch nicht morgen zum Frühstück. Er ist dann noch an unseren Tisch gekommen und hat meinen Teller mit der Scheibe Braten und dem Püree zurück zur Essensausgabe gebracht, und ich war sehr froh, dass ich nicht weiter von der Scheibe Braten und dem Püree essen musste. »Schluß! Aus!«, hat Papa gerufen, »von diesem Fraß essen wir nichts mehr!«, und dann hat er sich mit dem Herbergsvater gestritten, und der Herbergsvater ist richtig zornig und wütend geworden.

    Streiten
    Papa streitet nicht gern, und er streitet fast nie. Ich streite überhaupt nicht, ich kann nicht streiten. Auch Mama kann nicht streiten. Immer wenn Mama mit jemandem streiten müsste, geht sie einfach fort und sagt nichts. Und so mache ich es auch: Ich gehe fort und sage nichts. Papa findet das nicht richtig, Papa sagt, manchmal müsse man einfach streiten, richtig streiten, vor allem, wenn etwas zu weit gehe. Mama sagt dann nur »ach was!«, und wenn Papa dann noch weiter über das Streiten redet, sagt sie: »Josef! Ich bitte Dich!« Dann sagt Papa nichts mehr über das Streiten und schüttelt nur noch den Kopf.
    Wir haben uns dann noch etwas in die Vorhalle gesetzt. Ich hatte sehr großen Hunger, aber ich habe nichts gesagt, und auch Papa hat nicht gesagt, dass er eigentlich noch Hunger habe. Stattdessen hat er gesagt, dass wir morgen früh drüben in Cochem ein sehr gutes Sonntagsfrühstück essen und anschließend zum Sonntagsgottesdienst in die Kirche gehen würden. Ich habe dann statt des Essens noch eine »Sinalco«, und Papa hat statt des Essens ein Bier getrunken, und ich habe noch eine Postkarte an Mama geschrieben. Schließlich aber sind wir in unseren Schlafraum gegangen, haben uns ausgezogen und geduscht und dann in unsere Betten gelegt.
    Postkarte 10
    Liebe Mama, ich weiß jetzt, was eine Jugendherberge ist und wie es in einer Jugendherberge aussieht und riecht. Es riecht nicht gut, und im Essen, das man in einer Jugendherberge bekommt, ist manchmal ein Pflaster. Papa schimpft sehr viel
über die Jugendherberge hier, aber morgen frühstücken wir drüben in Cochem wie die Könige und singen dann in der Sonntagsmesse Lieder für den lieben Gott, so laut wir nur können. Eine gute Nacht wünscht Dir Dein Bub
    Ich war sehr, sehr müde, und ich wollte sofort einschlafen, aber selbst das gelang in dieser verdammten Jugendherberge nicht. Als ich nämlich einschlafen wollte, hörte ich, wie laut in unserem Schlafraum geschnarcht wurde. Beinahe jeder Schläfer schnarchte, einige nur ein wenig, andere aber ganz laut, wie Knattergewehre oder wie Reibeisen, die man an einem eisernen Pfosten reibt. Es war so laut, dass es gar nicht zum Aushalten war, und es war ganz unmöglich, bei diesem Lärm zu schlafen. Ich habe nach Papa geschaut, der unter mir schlief, aber Papa war schon am Schlafen und schnarchte selbst ein wenig, so dass ich ihn nicht wecken konnte. Ich habe mir die Ohren zugehalten, das Schnarchen war aber immer weiter zu hören, ich wurde beinahe verrückt vor lauter Schnarchen. Ich habe mich immerzu hin und her gewälzt, und dann bin ich aufs Klo gegangen und habe versucht, auf dem Klo sitzend zu schlafen, aber das ging auch nicht. Ich habe dann etwas Klopapier von der Klorolle abgerissen und daraus kleine Kugeln gedreht und die Kugeln in meine Ohren gesteckt. Die Kugeln scheuerten in den Ohren aber so, dass sie weh taten, deshalb musste ich sie wieder heraus nehmen, beinahe hätte ich sogar eine Kugel nicht wieder aus dem Ohr heraus bekommen, denn die Kugel war schon sehr tief drin in meinem Ohr. Ich habe dann fast die ganze Nacht wach gelegen und das Schnarchen
der anderen Schläfer verflucht. Ich habe nicht verstanden, warum alle, aber auch alle Schläfer trotz des Schnarchens der anderen Schläfer schlafen konnten, ich

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