Die Moselreise - Roman eines Kindes
aber nicht. Anscheinend war ich also der einzige Schläfer, der das Schnarchen der anderen mitbekam, die anderen bekamen davon nichts mit, nur ich. Erst früh am Morgen, als es hell wurde, bin ich eingeschlafen. Da hatte das Schnarchen ein wenig nachgelassen, und ich war so furchtbar müde, dass ich einfach einschlafen musste.
28. Juli 1963
Ich hatte während der Nacht höchstens zwei oder drei Stunden geschlafen, deshalb war ich am frühen Morgen so müde, dass ich immer weiter schlief und gar nicht aufwachen wollte. Papa war längst aufgestanden und hatte längst gepackt, ich aber lag noch immer im Bett und schlief und schlief. Da aber kam der Herbergsvater in unseren Schlafsaal und bemerkte, dass ich noch nicht aufgestanden war. »Aufstehen!«, rief er, und weiter: »Da schläft wahrhaftig noch einer! Der fegt den Schlafsaal aus, kapiert!« Ich bin sofort aufgestanden und ins Bad gerannt, und ich habe mich wirklich sehr beeilt, aber es war nichts zu machen, ich musste den Schlafsaal ausfegen. Papa sagte, dass der Herbergsvater uns »gefressen« habe, weil wir gestern das Pflaster im Erbseneintopf gefunden hätten. Und wahrhaftig sah es so
aus, als habe der Herbergsvater nur darauf gewartet, uns schikanieren zu können. Jedenfalls kam er immer wieder in den Schlafsaal und schaute nach, ob ich auch richtig fegte, und dann bückte er sich und schaute unter die Betten und sagte: »Da ist noch nicht genug gefegt!« Ich kniete mich also auf den Boden und fegte auch unter den Betten, und dann fegte ich noch einmal eigens die Ecken, weil der Herbergsvater noch gesagt hatte, dass er sich die Ecken besonders genau anschauen werde. Schließlich war es aber wirklich genug, und ich gab den Besen mit Schaufel und Eimer an der Anmeldestelle zurück. Da aber sagte der Herbergsvater, dass ich doch gleich noch den Speiseraum fegen könne, wo ich doch bereits so gut in Schwung sei.
Papa stand etwas von uns entfernt, aber er hatte doch genau gehört, was der Herbergsvater gesagt hatte. Er kam nämlich sehr schnell zu uns herüber, und dann sagte Papa zu dem Herbergsvater, dass es nun mit dem Fegen genug sei und dass wir dem Herbergsvater noch einen schönen Sonntag wünschten. Frühstücken, sagte Papa auch noch, würden wir in der Jugendherberge nicht, wir wollten uns vielmehr das Frühstück schmecken lassen, richtig schmecken, und zwar drüben, in Cochem. Da erwiderte der Herbergsvater, dass die Gäste in einer Jugendherberge den Anweisungen des Herbergsvaters zu folgen und wir deshalb jetzt sofort den Speiseraum zu fegen hätten. Das aber hätte er nicht sagen sollen, denn nun wurde es Papa zuviel, und dann sagte Papa nur: »Papperlapapp, was für ein Papperlapapp!« Der Herbergsvater geriet richtig in Wut, als er das hörte, aber
Papa sagte zu mir nur noch »Komm, wir gehen, soll er doch seinen Besen frühstücken!« Da wollte der Herbergsvater uns verbieten, die Jugendherberge zu verlassen. Er brüllte furchtbar herum, aber Papa tat so, als hörte er das Gebrüll überhaupt nicht. Und so zogen wir unsere Rucksäcke über und spazierten einfach ins Freie und gingen hinüber nach Cochem, als ginge uns das ganze Gebrüll und Geschrei des Herbergsvaters einfach nichts an.
Streiten
Diesmal hat Papa so gestritten, wie Mama immer streitet. Er ist einfach fortgegangen und hat nichts mehr gesagt. Stattdessen hat er geschwiegen, und erst am anderen Ufer von Cochem hat er wieder geredet. Da hat Papa plötzlich nur »So ein Lackel!« gesagt, und ich habe sofort gewusst, wen er meinte.
In Cochem sah es sehr merkwürdig aus, ganz anders als in den anderen Orten an der Mosel. Überall standen Schilder und hingen Tafeln herum, auf denen geschrieben stand, was man in den Häusern hinter den Schildern und Tafeln alles so essen konnte. Manche Gassen waren sehr schmal, und wenn sich die Menschen in den schmalen Gassen die Schilder und Tafeln anschauten, gab es einen Stau und es ging nicht mehr voran. Es waren in Cochem auch viel mehr Menschen als in den anderen Mosel-Orten, und die Menschen zogen in langen Reihen herum, und ich fragte Papa, warum denn in Cochem bloß so viele Menschen seien und was all diese Menschen in Cochem suchten. »Ich weiß es
auch nicht, mein Junge«, antwortete Papa, und das klang irgendwie traurig, jedenfalls kam es mir traurig vor, als wäre es Papa nicht recht, dass so viele Menschen durch Cochem zogen und nicht genau wussten, was sie in Cochem eigentlich suchten. »Komm«, sagte Papa dann, »wir verdrücken
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