Die Moselreise - Roman eines Kindes
Besonders schön aber war,
dass das Haus der Familie M. ein Fachwerkhaus war. Papa sagte dann, ich solle einmal einige Minuten allein in unserem Zimmer bleiben, er komme gleich wieder. Ich verstand nicht, warum ich allein bleiben sollte, und ich wusste auch nicht, warum Papa allein irgendwohin ging und warum ich nicht mitkommen konnte. Ich blieb aber, wie Papa gesagt hatte, allein in unserem Zimmer und wartete auf Papa, ich setzte mich an das Fenster und wartete.
Schon nach ein paar Minuten war Papa aber wieder zurück, und dann sagte er, dass ich mit ihm kommen solle und dass es jetzt für mich eine einmalige, ganz besondere Überraschung gebe. Ich ging dann mit Papa in die Wohnung der Familie M., und in der Wohnung wartete Frau M. auf uns und sagte, dass ich mich neben das Telefon stellen sollte, weil gleich ein Anruf für mich komme. Ich war ganz erstaunt und verstand überhaupt nicht, was los war, ich stellte mich dann aber neben das schwarze Telefon und wartete, da klingelte das Telefon auch schon. Frau M. sagte, ich solle den Hörer abnehmen und meinen Namen nennen, und da nahm ich den Hörer ab und nannte meinen Namen. Da aber hörte ich am anderen Ende der Leitung Mamas Stimme, ich hörte sie ganz deutlich und genau, es war die Stimme meiner liebsten Mama. Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte, so überrascht war ich, Mama aber sprach sehr schön und deutlich und sagte, dass sie sich sehr freue, dass es uns beiden, Papa und mir, so gut gehe. Ich antwortete »ja, es geht uns beiden wirklich sehr gut, es ist nur schade, dass Du nicht bei uns bist«. Da sagte Mama, dass ich doch genau wisse,
warum sie nicht mit uns gekommen sei, nämlich, weil sie während solcher Wanderungen Herzschmerzen bekomme und weil ihr Herz nicht ganz in Ordnung sei. Ich wusste das schon, ja, ich wusste, dass Mama sich nicht überanstrengen und deshalb nicht wandern durfte, Papa und Mama hatten es mir ja in Köln immer wieder gesagt und erklärt. Deshalb antwortete ich »ja, ich weiß ja Bescheid«, und dann erzählte ich Mama von meinem Klavierspiel am Vormittag und dass so viele Leute zugehört und geklatscht hatten. Mama freute sich sehr über meine Erzählung, und dann fragte sie mich noch einige Sachen, ob ich genug Wäsche dabei habe, ob ich genug Obst esse und ob Papa nicht am Tag zu viele Kilometer mit mir gehe. Ich antwortete, dass alles, aber auch alles in Ordnung sei und dass das Wandern mit Papa sehr sehr schön sei. Dann aber wollte ich Mama noch etwas zum Schluß sagen, nämlich dass ich sie gern habe und mich freue, sie bald wieder zu sehen. Frau M. und Papa standen aber neben mir, und weil sie so dicht neben mir standen und genau zuhörten, was ich sagte, konnte ich das alles nicht richtig sagen. Ich sagte also nur »tschüs, liebe Mama«, und Mama sagte »bis bald, mein lieber Junge«, und dann nahm Papa den Hörer in seine Hand und sprach noch ein paar Worte mit Mama. Papa sprach aber sehr ruhig und schön und deutlich, es war alles mit ihm in Ordnung, und deshalb sagte Papa noch zum Schluss: »Schön, dass es geklappt hat, ich danke Dir, es ist nun wieder alles in Ordnung.«
Ich fand auch, dass alles wieder in Ordnung war. Ich hatte keinen Kloß mehr im Hals, und die blöden Tränen, die
rollten auch nicht mehr einfach so, wie sie gerade wollten. Ich fragte Papa, von wo aus Mama mit mir gesprochen habe, da sagte Papa, dass Mama von der Wohnung unserer Kölner Nachbarn aus mit uns gesprochen habe. Da verstand ich, dass Papa unser Zimmer allein verlassen hatte, um unsere Kölner Nachbarn anzurufen und Mama ans Telefon zu bekommen. Ich sagte aber nichts, erst als wir draußen im Freien und unter uns waren, sagte ich etwas zu Papa, und dann sagte ich, dass es eine sehr gute Idee gewesen sei, die Mama anzurufen, und dass jetzt wirklich alles, aber auch alles wieder in Ordnung sei.
Ich bemerkte, dass Papa sich freute und dass er erleichtert war, dass alles wieder in Ordnung war, denn er nahm mich an der Hand und sagte: »Komm, jetzt gehen wir in der Mosel schwimmen, das magst Du doch so, und dann essen wir etwas Obst, und am Nachmittag machen wir einen wunderschönen weiten Spaziergang durch die Weinberge und ich erzähle Dir etwas vom Wein, und am Abend gehen wir zusammen fürstlich in einem Weinhaus essen, das magst Du doch auch.« Ich schaute Papa an, und dann sagte ich, dass er der beste Papa sei, den es gebe, und dass ich mich auf das alles sehr freue und dass jetzt wirklich, aber auch ganz
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