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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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wirklich alles in Ordnung sei.
    Mamas Stimme
    Mamas Stimme war sehr ruhig und klang etwas tiefer als sonst. Ich glaube, Mama hatte vor unserem Telefongespräch lange gelesen. Wenn sie lange gelesen hat, klingt ihre Stimme
nämlich viel tiefer als sonst. Erst nach einer Weile klingt ihre Stimme dann wieder normal, und erst nach einiger Zeit verspricht sich Mama nicht mehr, sondern spricht wieder richtig und ordentlich.
    Wir holten dann unser Schwimmzeug und gingen an die Mosel, und dann badeten und schwammen wir in der Mosel, und ich tauchte wieder, und ich öffnete unter Wasser die Augen, und es war alles in Ordnung. Später las ich weiter in den »Fury«-Geschichten, und ich las, wie der junge Joey lernte, das Lasso richtig zu werfen. Wir aßen etwas Obst, und Papa las in dem Buch »Der Knabe im Brunnen«, und manchmal richtete er sich während des Lesens auf und schaute auf den Fluss und sagte nichts.
     
    So wurde es früher Nachmittag, da packten wir unser Schwimmzeug wieder zusammen und gingen in unser Zimmer zurück, und Papa legte sich wieder eine halbe Stunde auf das Bett, um sich auszuruhen. Ich aber schrieb rasch eine Postkarte an Mama.
    Postkarte 13
    Liebe Mama, es war sehr schön, Deine Stimme zu hören. Ich war ganz überrascht, weil Papa mir gar nicht gesagt hatte, dass ich Deine Stimme hören würde. Weil ich so überrascht war, habe ich nicht richtig sprechen können. Und außerdem standen Papa und Frau M. neben mir, die hörten jedes Wort, das ich sagte. Deshalb habe ich dann noch weniger richtig sprechen können. Es war aber dennoch sehr schön. Bis sehr bald herzliche Grüße von Deinem Bub

    Am Nachmittag sind Papa und ich dann hinauf in die steilen Weinberge von Ediger gegangen, und Papa hat mir erklärt, dass die Weinstöcke in Ediger auf Schieferböden wachsen, und dann habe ich auch den Schiefer erkannt, denn zwischen den Weinstöcken lagen lauter kleine graue Stücke von Schiefer. Die Schieferstücke blitzten in der Sonne, und sie blitzten ganz blank, und es gab zwischen den Weinstöcken fast gar kein Unkraut, sondern nur braune Erde und kleine Stücke von Schiefer. Papa sagte, dass der Wein sehr viel Sonne und Wärme brauche und dass deshalb die Schieferstücke so wichtig seien. Die Schieferstücke würden nämlich viel Sonne und Wärme speichern, so dass es in den Weinbergen, selbst wenn es sonst kalt sei, noch immer etwas Wärme gebe, und die Wärme komme einzig und allein von den kleinen Schieferstücken. Ich müsse mir die Schieferstücke also wie kleine Öfen vorstellen oder wie kleine Briketts, die glühen und glühen, die Schieferstücke brächten den Weinbergen an der Mosel die Wärme, und das sei für die Weinberge an der Mosel ein Glück.
     
    Wir wanderten dann in den Weinbergen immer weiter hinauf in die Höhe, bis Papa beschloss, eine kleine Pause zu machen und einen Rebstock zu zeichnen. Und dann setzte er sich hin und zeichnete einen Rebstock, und ich setzte mich dicht neben ihn und schaute ihm zu, wie er einen Rebstock zeichnete. Der Rebstock wurde aber von einer Stange gehalten, und um die Stange schlängelte sich das Grün, als wäre es wahrhaftig eine Schlange, die hinauf zur Sonne wollte. Ich sagte Papa, dass er eine sehr schöne Zeichnung
von einem Rebstock gezeichnet habe, und da sagte Papa, dass er den Rebstock für mich gezeichnet habe und dass er mir seine Zeichnung schenke. Dann riß Papa die Zeichnung vom Rebstock aus seinem Skizzenbuch und schenkte sie mir, und ich freute mich und gab ihm zum Dank einen dicken Kuß auf die Stirn.
     
    Danach gingen wir noch ein Stück weiter, und dann erreichten wir eine kleine Kapelle, die Kreuzkapelle von Ediger. Papa sagte, dass es in dieser schönen Kapelle etwas Besonderes zu sehen gebe, und wir gingen hinein und schauten uns ein Relief an, auf dem der Herr Jesus das schwere Kreuz trug und gleichzeitig von einem Schraubstock fest gepresst wurde. Der Herr Jesus trug also das Kreuz, und gleichzeitig stand er in einem hölzernen Ding und wurde von einem Schraubstock gepresst. Ich fragte Papa, was das hölzerne Ding sei, und Papa sagte, das hölzerne Ding sei eine Presse oder eine Kelter, und in einer solchen Kelter oder Presse würden die Weintrauben zu Wein gepresst. Der Herr Jesus stand also in einer Kelter oder Presse, und weil er die Trauben mit seinen nackten Füßen presste, wurde Wein aus den Trauben, und der Wein vermischte sich dann mit dem Blut, das aus den Händen des Herrn Jesus floß, weil er ja der Herr Jesus am

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