Die Moselreise - Roman eines Kindes
nicht zu Papa um, sondern schaute ruhig weiter von der Höhe aus auf die Stadt Trier.
Wir sind dann durch die ganze »Porta Nigra« gegangen, von einer Seite zur anderen und wieder zurück, in mehreren Stockwerken, und Papa ist immer wieder stehen geblieben und hat sich den Bau ganz genau angeschaut. Mama aber ist nicht mit Papa und mir gegangen, sondern sie ist oben, im obersten Stockwerk, stehen geblieben und hat sich weiter die Stadt Trier von der Höhe aus angeschaut. Erst als Papa wieder zu ihr gekommen ist, ist sie von ihrem Ausguck weggegangen, und dann sind wir alle wieder nach unten, auf die Erde, gegangen. Unten auf der Erde aber hat Mama den Papa gefragt: »Sag mal, wie gefällt Dir denn nun Deine Porta Nigra?« Papa hat nur »prachtvoll« gesagt, und dann
hat er sich wiederholt und gesagt, die »Porta Nigra« sei ein prachtvoller Bau. »Ach was«, hat da die Mama gesagt, »Deine Porta Nigra ist überhaupt kein prachtvoller Bau. Es ist ein muffiger, dunkler Klotz, ein richtiger Soldatenbau.« Papa hat erst mal gar nichts gesagt, aber als wir uns einige Schritte von der »Porta Nigra« entfernt hatten, hat Papa gesagt: »Mia, Du übertreibst. Nicht alles, was Soldaten gebaut haben, ist schon deshalb schlecht, weil es Soldaten gebaut haben.« Da hat nun Mama erst einmal gar nichts gesagt, und so haben wir uns schweigend von der »Porta Nigra« entfernt. Als wir uns dann aber schon recht weit von der »Porta Nigra« entfernt hatten, hat sich Papa plötzlich noch einmal zur »Porta Nigra« umgedreht, und dann hat er gesagt, dass wir uns alle noch einmal umdrehen sollten. Wir haben uns also alle noch einmal umgedreht, und dann hat Papa gesagt: »Schaut mal, jetzt hat sie doch etwas Schönes, habe ich recht?« Mama hat gar nichts gesagt, da hat Papa gesagt, dass ich einmal etwas sagen solle, ich fand es aber schwer, etwas zu sagen, weil Papa fand, die »Porta Nigra« habe etwas Schönes, während Mama anscheinend fand, die »Porta Nigra« habe gar nichts Schönes. Ich habe einen Moment gezögert und mir die »Porta Nigra« noch einmal aus der Ferne angeschaut, und dann habe ich gesagt: »Ich habe noch nie so etwas wie die »Porta Nigra« gesehen. Ich finde die »Porta Nigra« etwas Besonderes.« »Das ist sie auf jeden Fall«, hat da die Mama gesagt, »die Porta Nigra ist etwas Besonderes, darauf sollten wir uns einigen, bevor wir aus ihr noch eine Schönheitskönigin machen.« Als Mama das gesagt hat, musste Papa lachen, und auch ich musste lachen,
denn ich fand es komisch, dass Mama von der »Porta Nigra« so sprach, als sei die »Porta Nigra« eine Frau. Und so haben wir alle gelacht, und dann sind wir weiter gegangen und haben uns endgültig von der »Porta Nigra« entfernt.
Mama und Papa
Wenn Mama und Papa sich etwas zusammen anschauen, sind sie fast nie einig. Mama findet etwas schön, was Papa gar nicht schön findet, oder Papa findet etwas interessant, was Mama gar nicht interessant findet. Gehen wir zum Beispiel zusammen in ein Museum, schaut Mama sich Bilder an, die Papa sich nicht richtig anschaut, und Papa schaut sich Bilder an, die Mama sich gar nicht anschaut. Papa versucht dann immer, die Mama zu überzeugen, während die Mama nie versucht, Papa zu überzeugen. Schließlich gibt Papa auf, und schließlich sagt die Mama etwas Lustiges, weil sie nicht möchte, dass Papa ärgerlich ist.
Papa wollte von der »Porta Nigra« aus direkt zum Dom gehen. Als wir aber den Marktplatz erreichten und dort ein großer Markt war, hat Mama gesagt, der große Markt sei auch eine Sehenswürdigkeit, und sie wolle sich diese Sehenswürdigkeit jetzt erst einmal anschauen und nicht sofort in den Dom gehen. »Der Dom ist nur ein paar Schritte entfernt«, hat Papa gesagt, und dann hat er noch gesagt, dass wir uns erst den Dom und danach den großen Markt anschauen sollten. Mama aber wollte es genau umgekehrt machen, erst den großen Markt und dann den Dom anschauen. Da hat Papa gesagt, dass Mama sich den großen Markt anschauen solle und dass wir beide - Papa und ich
- schon einmal in den Dom gehen würden, weil es im Dom ja sehr viel zu sehen gebe. Mama ist also auf dem großen Markt zurück geblieben und hat sich die vielen Blumen-, Gemüse- und Obst-Stände auf dem großen Markt angeschaut, während Papa und ich in den Dom gegangen sind. Auf dem Weg zum Dom aber hat Papa leise gesagt »Die paar Runkelrüben sind doch keine Sehenswürdigkeit, das ist doch lachhaft«, da habe ich bemerkt, dass Papa etwas
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