Die Moselreise - Roman eines Kindes
ausgebreitet, und ich bin zu ihr gegangen, und ich habe Mama umarmt und ganz feste gedrückt, so wie Mama mich ganz feste umarmt und gedrückt hat.
Es hat dann aber noch einige Zeit gedauert, bis ich etwas Richtiges sagen konnte, so überrascht bin ich von Mamas Erscheinen gewesen. Mama hat ihr schönes, grünes, langes Kleid getragen, das sie oft auch im Westerwald anzieht, wenn wir im Westerwald spazieren gehen zur Eiche von Paffrath oder noch viel weiter. Sie hat meine rechte Hand fest gehalten und gar nicht mehr los gelassen, und dann sind wir beide in die schöne Wohnung gegangen, und Mama hat auch Papa einen Kuß gegeben, und dann hat auch Papa der Mama einen Kuß gegeben. »Hat alles geklappt?«, hat Papa die Mama gefragt, und ich habe gesehen, wie froh die Mama war, endlich wieder bei uns zu sein. »Ihr beide seht ja urgesund aus«, hat die Mama gesagt, und dann hat sie uns von ihrer Fahrt von Köln aus hierher nach Trier erzählt, davon, was sie alles gesehen und was sie alles erlebt hat. Mama hatte meine Postkarten dabei, und während der Fahrt hat sie noch einmal alle Postkarten gelesen, und zwar immer genau an den Stationen unserer Reise, wo ich die Karten geschrieben hatte. So hat Mama uns von ihrer eigenen Moselreise mit dem Zug erzählt, und wir haben zugehört, und Papa
hat für die Mama und mich ein Glas Wasser geholt, und wir haben uns an einen großen Tisch gesetzt und erzählt und erzählt.
Als wir eine Menge erzählt hatten, hat Papa dann aber gesagt, wir sollten am Abend mit dem Erzählen weiter machen, jetzt aber sollten wir planen, wie es weiter gehe, und zwar eins nach dem andern. Papa plant sehr gern, und Papa ist ein sehr guter Planer, was man ja schon daran erkennt, wie er unsere Moselreise geplant hat. Mama aber plant überhaupt nicht, und wenn sie etwas plant, vergisst sie oft, was sie geplant hat, und macht dann doch alles ganz anders als so, wie sie es eigentlich geplant hat. Diesmal aber hat sie genickt, und zu Papa gesagt: »Richtig, jetzt planen wir, also plan mal für uns!« Papa hat lachen müssen, weil Mama sich ein wenig über Papas Planen lustig gemacht hat, dann aber hat Papa gesagt, wie er alles planen würde.
Papa plant
Papa hat unsere ganze Moselreise geplant, Ort für Ort: Wo wir übernachten, was wir uns anschauen, wohin wir gehen. Nur wo wir essen, das hat er nicht geplant, weil man das, wie Papa immer sagt, nicht planen kann. Stattdessen geht Papa meist zuerst allein in ein Lokal, schaut sich um und beschließt dann ganz rasch, ob wir in dem Lokal essen oder nicht. Papa sagt, er sei ein »Gastwirtssohn« und weiter sagt er, dass ein richtiger Gastwirtssohn auf den ersten Blick erkenne, ob ein Lokal etwas tauge oder nicht. Und wahrhaftig findet Papa fast immer die richtigen Lokale zum Essen und irrt sich nur selten, nein, er irrt sich fast nie. (In Köln hat er sich einmal geirrt, als wir
in ein Lokal am Rhein gegangen sind, das leer war, plötzlich aber kamen sehr viele Ausflugsgäste in das Lokal, und Papa hat gesagt: »Verdammt, das ist ja ein richtiges Ausflugslokal.«)
Papa hat also geplant und gesagt, dass er sich in etwa einer halben Stunde mit dem Louis zu einem Glas Wein treffen würde und dass wir beide, also Mama und ich, einen kleinen Spaziergang an der Mosel entlang machen sollten. Auf keinen Fall sollten wir aber bereits in die Innenstadt von Trier gehen, denn die Innenstadt von Trier mit der Porta Nigra und dem Dom und den anderen großen Sehenswürdigkeiten sollten wir uns erst morgen anschauen und nicht heute. Heute nämlich hätten wir, also Papa und ich, uns bereits genug Schönes angeschaut, und das genüge eben für heute. In zwei Stunden sollten wir uns dann aber alle treffen und in einem Restaurant am Moselufer festlich zu Abend essen. »Festlich?«, hat Mama den Papa gefragt, und Mama hat bei der Frage wieder ein bißchen gelächelt, als mache sie sich wieder über Papa lustig. Papa aber hat so getan, als bemerke er das nicht, und dann hat er nur noch einmal gesagt: »Ja, richtig festlich! Wir haben schließlich etwas zu feiern!«
Papa sagt »festlich«
Manchmal sagt Papa, dass wir etwas »festlich« machen sollten: »festlich« essen gehen, »festlich« in den Gottesdienst gehen, »festlich« den Tag verbringen. Papa meint damit, dass wir etwas nicht so tun sollten, wie man es immer tut, sondern dass wir uns Mühe geben sollten. Papa meint damit aber nicht, dass wir ein Fest feiern sollen, sondern eher, dass wir uns so
benehmen und
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