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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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besseren Argumente, einen nahezu unerschöpflichen Tatendrang und ein Schwindel erregendes Tempo. Ronnie hatte am Wochenende nicht nur die düstere Wohnzimmerdecke weiß gestrichen, er hatte auch sämtliche Fenster im Wohnzimmer abgeschliffen und weiß lackiert, ebenso die hölzerne Verkleidung der Heizkörper. Es war unglaublich, wie hell der Raum nun wirkte. Nach und nach ließ ich mich von Mimis Begeisterung anstecken, die hartnäckig behauptete, das Haus sei ein architektonisches Juwel. Der offene Kamin, bisher ein Bollwerk aus senfgelben Klinkersteinen, war mit einer Spezialfarbe ebenfalls weiß gestrichen worden. Omi Wilmas gusseisernes, verschnörkeltes Funkenschutzgitter wirkte davor jetzt ganz edel. Bei den Wänden hatte ich mich für einen sanften Cremeton entschieden, obwohl sowohl Mimi als auch Nelly für ein helles, aber kräftiges Rosa plädiert hatten, in eben jenem Rosa, in dem zurzeit fünfundneunzig Prozent vonNellys Garderobe war. Ich ließ mich immerhin erweichen, die Wand mit dem Monsterbüfettschrank in dieser Farbe zu streichen, weil Mimi mir glaubhaft versichert hatte, dass Rosa nicht nur der letzte Schrei sei, sondern außerdem eine extrem positive Wirkung auf den Betrachter ausübe. Rosa, so sagte Mimi, senke das Herzinfarktrisiko, wirke gegen Pickel und Mitesser und verhindere Depressionen. Es war gewagt, aber der Monsterschrank wurde daraufhin ebenfalls rosa gestrichen, weil er so optisch mit der Wand verschmelzen und viel kleiner wirken würde, wie Mimi behauptete, und weil ich seinetwegen auf keinen Fall Depressionen bekommen wollte. Und Mimi hatte Recht behalten: Der Schrank sah wirklich ausgesprochen stimmungsaufhellend aus, so ganz in Rosa. Und obwohl er nun viel kleiner aussah, als er war, passten alle meine fünf Millionen Bücher in seine Fächer, in Dreierreihen sortiert. So völlig entschrankt wirkte das Wohnzimmer riesig, es war jede Menge Stellfläche übrig, und deshalb hatten wir das Klavier aus dem Wintergarten hierher geschoben. Ein bisschen Mahagoni tat dem Raum ganz gut, und das Klavier verlieh dem Rosa etwas mehr Würde. Nur schade, dass keiner von uns Klavier spielte.
    Zurzeit versuchte Mimi mich zu einem lindgrünen Sofa zu überreden, aber ich hatte zu lange mit Lorenz Ton in Ton gelebt, sodass ich es vorerst lieber mit einem cremefarbenen Modell versuchen wollte. Die Kinder durften in Zukunft aber auf keinen Fall Nutellabrote im Wohnzimmer essen, das war jetzt schon klar. Wenn das Sofa übernächste Woche geliefert werden würde, konnte auch der Fernseher wieder umsiedeln, für den Ronnie einen einfachen, aber wirkungsvollen Tisch geschreinert hatte, irgendwann zwischen Fenster streichen und Fußboden abschleifen. Ich stand wirklich unterirdisch tief in der Schuld dieses Paares. Mit Pizzabacken allein konnte ich das niemals zurückzahlen.
    »Ich wünschte nur, ich könnte dir auch helfen«, sagte ich leidenschaftlich.
    »Mir kann niemand helfen«, sagte Mimi mit Grabesstimme.
    »Ach, Mimi«, sagte ich. »Wenn ich ein Mann wäre, ich würde dich sofort schwängern.«
    Mimi grinste. »Sehr lieb gemeint, aber zu spät: Heute Morgen habe ich Besuch von meiner Tante bekommen.«
    »Oh! Ist es so eine schreckliche Tante? Und ist sie jetzt allein bei dir zu Hause? Warum hast du nichts gesagt? Du kannst sie doch gerne zum Mittagessen rüberholen.«
    Mimi sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Constanze! Ich hab Besuch bekommen! Von meiner Tante! Von meiner roten Tante!«
    »Heißt das, sie ist Kommunistin?«, fragte ich. »Das macht mir nichts. Ich bin absolut unpolitisch.«
    Mimi schlug sich vor die Stirn. »Du weißt wirklich nicht, wovon ich rede, oder? Ich habe meine Periode bekommen.«
    »Und was hat das mit deiner Tante zu tun?«
    »Ach Constanze! Das sagt man doch so. Ich habe Besuch bekommen ist eine dezente Umschreibung für ich habe meine Periode bekommen. Hast du das noch nie gehört?«
    »Nein, ich sage immer, dass ich meine Tage habe, ist das denn unfein? Selbst meine Mutter hat dafür keine schamhaftere Umschreibung. Und die ist die verklemmteste Person zwischen hier und den Osterinseln. Wenn jemand in ihrer Gegenwart das Wort Gebärmutter benutzt, wird sie feuerrot. Es gibt Worte, die sie niemals, niemals in den Mund nehmen würde. Ich dachte deshalb ewig lange, Vagina sei ein Mädchenname, und mein armer kleiner Bruder sagt heute noch kleines Pillermännchen zu seinem Penis. Was, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass seine

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