Die Mütter-Mafia
Fenster gelehnt hatte, dass ihre struppige, dauergewellte Haartracht ganz platt geregnet wurde. »Wegen der Wespen. Das ist nicht zulässig! Das muss alles weg, das Kroppzeuch. Auch die ganzen Sträucher hier, die uns die Sicht versperren. Jetzt im Winter kann man ja durchgucken, aber im Sommer, da sieht man gar nichts mehr.«
»Und das ist auch gut so«, sagte Mimi.
»Aber Frau Hempel ...« So alte Bäume hatten doch auch Vorteile, das musste doch auch Frau Hempel einsehen.
»Nichts aber«, quiekte Frau Hempel. »Wir haben Sie gewarnt! Wir sind in der Rechtsschutzversicherung. Und wenn ich mich hier Ihretwegen verkühle oder eine Gehirnhaut-Meningitis bekomme, dann haben Sie das auch zu verantworten!« Und damit knallte sie das Fenster wieder zu.
»Oh, jetzt musst du aber Angst haben«, sagte Mimi grinsend. »Eine Gehirnhaut-Meningitis ist nämlich doppelt so schlimm wie eine normale Meningitis. Vor allem bei einem so kleinen Gehirn.«
»Aber ich kann doch unmöglich alle Bäume fällen lassen«, sagte ich. »Und was das kosten wird!«
»Du musst keinen einzigen Baum fällen«, sagte Mimi. »Das Einzige, was du tun musst, ist dir einen Anwalt zu nehmen. Unserer ist sehr gut, sagte ich das schon? Er heißt Anton und ist ein alter Freund von uns. Deshalb hat er uns auch gegen Hempels vertreten, aus reiner Freundschaft. Sonst macht er nämlich so einen Nachbarschaftskikifuz nicht. Der Streitwert ist einfach zu niedrig, und Anton ist viel zu gut. Er sieht übrigens auch toll aus und ist zufällig gerade wieder zu haben. Alles Gründe, ihn so bald wie möglich aufzusuchen.«
»Aber ich bin leider in keiner Rechtsschutzversicherung«, sagteich. »So ein Anwalt kostet doch richtig Geld, vor allem, wenn er so gut ist, oder?«
»Nein. Wenn du gewinnst, kriegst du das Geld doch von Hempels wieder. Das heißt, von Hempels Rechtsschutzversicherung. Die meldet demnächst bestimmt Konkurs an.«
»Ja, aber wenn es gar nicht vor Gericht geht, was ich doch mal sehr hoffe, dann muss ich den Anwalt selber bezahlen, und ich habe wirklich überhaupt kein Geld.«
»Tsss, das kannst du mit dem bezahlen, was du bei >Ebay< für die fiesen Sofas bekommst«, sagte Mimi. In der Tat stand das Gebot für die braunen Ledermonster zurzeit bei eintausendfünfhundert Euro - wahrscheinlich wegen der verlockenden Superlative, in denen Mimi die Objekte beschrieben hatte. Aber auch wenn ich das Geld wirklich bekommen sollte, konnte ich es nicht gleich wieder zum Fenster rausschmeißen.
»Das brauche ich, um meinen Kindern Essen zu kaufen«, sagte ich.
»Dafür ist ja wohl dein Mann zuständig«, sagte Mimi.
»Haha«, sagte ich. »Der sagt doch nur, dass ich mir lieber einen Job suchen soll, anstatt mit den Nachbarn zu zanken. Und dass ich das sowieso alles nur erfinde, um ihn zurückzugewinnen.« Ich seufzte abgrundtief »Ich sollte mir wahrscheinlich wirklich einen Job suchen. Das Dumme ist nur, dass ich überhaupt nichts kann.« Ich erwartete nicht, dass Mimi dafür Verständnis hatte.
»Du musst ja auch nicht arbeiten«, sagte sie wider Erwarten. »Bis dein Kleiner in der Schule ist, kann man dir das nicht zumuten. Und wenn er in der Schule ist, müsstest du auch nur halbtags gehen. Die Zeiten sind nicht die besten für jemanden ohne abgeschlossene Ausbildung und Berufserfahrung, also gehe ich mal stark davon aus, dass du nichts Zumutbares finden wirst. Und deshalb muss dein reicher Staatsanwalt dir wahrscheinlich lebenslang Unterhalt zahlen. Das weiß ich von einer Freundin, die sich von einem Arzt hat scheiden lassen. Der zahlt, und sielässt es sich gut gehen. Geschieht ihm auch ganz recht. Der alte Sack hat sich eine Jüngere genommen.«
»Lorenz hat mir ja schon das Haus hier überlassen«, sagte ich.
»Ja, und? Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Wie hoch ist denn dein Unterhalt?« Ich sagte es ihr.
Mimi zog die Augenbrauen hoch. »In der Woche?« »Im Monat.«
Mimi regte sich furchtbar auf. »Wie naiv bist du eigentlich, Constanze! Du brauchst Anton wirklich - nicht wegen dieser dämlichen Hempels, sondern wegen deiner Scheidung. Familienrecht ist eins von Antons Fachgebieten. Du wirst sehen, er wird deinen Lorenz gnadenlos abzocken! Ich rufe ihn gleich heute an und mache einen Termin mit ihm aus.«
»Danke, Mimi.« Ich gewöhnte mich allmählich daran, dass Mimi und Ronnie mir die Lösung sämtlicher Probleme aus der Hand nahmen. Es hatte auch gar keinen Zweck zu widersprechen, die beiden hatten immer die
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