Die Mütze
elenden Säufer! Sie kommen aus dem Laden, wollen zur Metro, und keiner geht an unserem Torbogen vorbei. Ich sage: >Bürger, was machen Sie da? Wo pinkeln Sie hin ? Das ist hier keine Öffentliche! Hier wohnen besondere Leute, Schriftsteller. Und Sie schlagen hier Ihr Wasser ab. Drüben, auf der anderen Seite, haben Sie doch eine Öffentliche.. .< Aber der Miliz, das ist das Schlimmste, der ist das alles egal. Ich bin so oft auf dem Revier gewesen. >Das geht doch nicht<, habe ich gesagt, >hier wohnen Schriftsteller, das ist etwas anderes als Sie und ich.< Und er... he, Väterchen Efim Semjonitsch, was ist mit Ihnen los?« unterbrach sie ihren Redeschwall. »Wieso tragen Sie bei dieser Kälte keine Mütze? Sie werden sich den Kopf erkälten, und Ihr Kopf ist doch was ganz anderes als unserer. Mit unsern Köpfen kann man Nägel einschlagen, Sie aber brauchen Ihren für den Beruf, und nun wird er Ihnen erfrieren. «
»Nicht schlimm, Warwara Grigorjewna, man muß sich abhärten«, antwortete Efim munter, händigte ihr die Quittung aus und ging. Es war zwar nicht besonders kalt, aber windig, und er fror wirklich an seiner Glatze.
Als Efim aus dem Hof auf die Straße trat, geriet er sofort in den Strudel von Menschen und Autos, die sich durch den grauen, mit Salz verschmischten Schnee kämpften. Vor allen Kiosken, gegenüber seinem Haus und bei der Metro bewegten sich in Dampfwolken gehüllte geduldige, dunkle Schlangen. Hier gab es Softeis, das Päckchen zu vierzig Kopeken, dort junge grüne Erbsen in Gläsern aus Ungarn und im dritten Kiosk - bulgarische Zigaretten Marke Tresor. Die vierte Schlange machte einen Bogen an der Haltestelle des Kleinbusses, der zwischen der Metro Aeroport und den Leningrader Markthallen verkehrte.
In der Halle des Kombinats ging es lebhafter zu als sonst. Mehrere Menschen umstanden das Tischchen der schnurrbärtigen, schwarzhaarigen Serafina Borisowna, die Bestellungen für Kohlepapier und Farbband aus der DDR entgegennahm. Der Liedermacher Samarin führte seiner jungen fülligen Frau den neuen Anzug vor. Spreizbeinig stand er mitten in der Halle in einer von Stecknadeln starrenden Jacke, auf dem Kopf eine riesige verrutschte Fuchsmütze, die wie ein in Wind und Wetter gebleichter Heuhaufen aussah. Zu seinen Füßen kniete der kräftige rotwangige Schneider Sanja Sarubin mit einem Wachstuchbandmaß um den Hals. Von allen Seiten hörte man gedämpfte Stimmen, die immer wieder ein wildes Kreischen und Knirschen aus dem Keller übertönte. Das war der Nähmaschinenmechaniker Arkascha Glotow, der sich auf Zahntechnik spezialisiert hatte und nun Porzellanprothesen zurechtschliff. Natürlich »schwarz«.
Obwohl Efim mit Kohlepapier, Farbband und sogar mit finnischem Schreibpapier reichlich versehen war, kämpfte er sich zu Serafina Borisowna durch und überreichte ihr eine Tafel Schokolade Marke Alte Garde, die er seiner Aktentasche entnahm. Von ihr erfuhr er, daß die Mützenbestellungen von dem Direktor, Andrej Andrejewitsch Stschupow, persönlich bearbeitet würden, einem neuen Mann, streng und absolut prinzipientreu. Letzteres, »streng und absolut prinzipientreu«, besagte, daß er sich überhaupt nicht oder nur in gewissen Fällen bestechen ließ, im Unterschied zu seinem Vorgänger, der in dieser Efinsicht ziemlich bedenkenlos war und schließlich darüber stolperte. Natürlich fiel er dabei auf die Füße: Er wurde als Direktor in das Künstlererholungsheim bei Moskau versetzt, wo er sich gleichfalls nicht nur mit seinem Gehalt zu begnügen brauchte.
Die Schlange zum Direktor begann hier, in der Halle, und zog sich über den Korridor bis vor seine schwarze Tür.
»Wer steht hier als letzter nach Rentier an?« witzelte Efim.
Der letzte war der Humorist Jerofejew, ein finsterer älterer Mann mit einer Narbe auf der linken Wange. »Nach Rentier, mein Bester, steht man nicht an«, belehrte er Efim, »Rentier wird ins Haus geliefert, mit ergebenstem Dank und Bückling. Wenn man Schlange steht, so nur nach billigeren Pelzen.«
Efim fiel auf, daß die wartenden Bittsteller sich samt und sonders Gedanken über ihre Kopfbedeckung gemacht haben mußten: Einige, radikal wie er, waren barhäuptig, andere trugen Schirmmützen oder Hüte, und Jerofejew drehte in den Händen eine verknautschte Milizmütze mit dem dunklen Schatten des Sternchens. Sein aufgeknöpfter Mantel ließ eine lange Jacke mit einer doppelten Reihe von Orden und Medaillen sehen. »Ich bin ein Idiot«, dachte Efim. Er hätte
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