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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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seine Auszeichnungen nicht bloß erwähnen, sondern die Medaillen anstecken sollen: Auch wenn sie nicht besonders hoch waren, blieb eine gewisse Wirkung nicht aus.
    Er stellte sich hinter dem Humoristen an, zog, um keine Zeit zu verlieren, ein Exemplar der Lawine aus der Aktentasche, schlug das Buch auf und schrieb im Stehen schwungvoll auf das Vorsatzblatt: Andrej Andrejewitsch Stschupow zum Zeichen aufrichtiger Hochachtung. E. Rachlin.
    »Was haben wir heute für ein Datum?« erkundigte er sich bei Jerofejew, und hörte, während er es darunter schrieb, jemanden ausrufen: » Fima!«
    Er blickte auf und entdeckte an dem Zeitschriftentischchen vor dem Fenster seinen früheren Kommilitonen aus dem Institut für Politik, den Prosaisten Anatolij Mylnikow. Sein schwerer Pelz war aufgeknöpft, das Gesicht rot, als käme er aus der Sauna, an den Schläfen perlte der Schweiß, eine angegraute Locke klebte an der Stirn.
    »Ich hatte dich nicht gesehen«, entschuldigte sich Efim, »kommst du auch wegen der Mütze ?«
    »Nee.« Mylnikow rümpfte die Nase. »Ich hab' schon eine. Hier. Dachs. Mir hat ein versoffener Typ eine Import-Armatur fürs Bad versprochen. Ich warte hier auf ihn. Komm, setz dich, solange der Platz frei ist.«
    »Und ich habe gedacht, du bist wegen der Mütze hier«, sagte Efim, indem er sich setzte und aus einem unerklärlichen Grund seufzte. »Ich habe auch eine Mütze, wenn ich ehrlich sein soll. Wolf. Ein Geschenk der Rentierzüchter. Aber wenn sie einem was geben, warum soll man es nicht nehmen ?«
    »Ach so, du meinst diese Mützen, die hier genäht werden ? So eine habe ich schon lange bekommen, vor acht Wochen, und sie gleich meinem Neffen geschenkt. Als der das Rentierfell sah, ist er fast übergeschnappt.«
    »Du hast Rentier bekommen ?« wunderte sich Efim.
    »Ja.« Mylnikow nickte zerstreut. »Rentier. Wieso?«
    »Nur so«, meinte Efim kleinlaut. »Baranow zum Beispiel bekam Kanin. Aber du« - er lächelte unterwürfig - »du bist ja unser lebender Klassiker.«
    Mylnikows Karriere verlief aus für Efim unersichtlichen Gründen weit erfolgreicher als seine eigene, obwohl Mylnikow nicht nur von guten Menschen und überhaupt nicht besonders viel schrieb, und die Presse ihn mehr tadelte als lobte. Aber diese getadelten Bücher wurden beachtet, in verschiedene Sprachen übersetzt, und die Obrigkeit hatte dem Rechnung zu tragen. Ungeachtet der negativen Kritiken wurde er immer wieder gedruckt und durfte sogar ins Ausland reisen, als Mitglied einer Delegation oder sogar allein. Sein Beispiel brachte Efim zur Einsicht, daß für den großen Erfolg eine gelegentliche Verstimmung der Obrigkeit außerordentlich förderlich sein kann, daß man balancieren müßte, und daß das positive Urteil der Kritik in Wirklichkeit nicht sehr viel wert ist: Fortgesetztes Lob und Verachtung gehen Hand in Hand.
    Die Auslandshonorare investierte Mylnikow in einen Export-Wolga (seine Kollegen fuhren bestenfalls einen Schiguli), ein Videogerät und in Whisky und Gin für seine Gäste.
    Jetzt erzählte er Efim von seiner kürzlich unternommenen Reise nach London, wo er einige Vorträge gehalten, ein Interview gegeben, den neuesten Pornofilm gesehen hatte und zum Schluß in der BBC aufgetreten war. Er mußte, seinen Worten nach, in London stürmisch gefeiert worden sein.
    »Die Times schrieb, ich sei der moderne Tschechow«, erzählte Mylnikow halblaut, »und auch im Guardian stand eine sehr positive Besprechung...«
    Er hatte gerade angefangen, diese Besprechung zu referieren, als Efim zum Direktor gerufen wurde. Als er das Zimmer betrat, sah er über dem schweren Schreibtisch ein Plakat mit den Mitgliedern des Politbüros. Darunter saß ein Mann mit einem völlig ausdruckslosen hölzernen Gesicht.
    »Guten Tag, Andrej Andrejewitsch«, grüßte Efim freundlich und warf den Kopf in den Nacken. Er wollte unbeschwert, offen und unbefangen wirken, aber unter dem schweren Blick des Direktors schrumpfte er zusammen und fühlte, daß sein Gesicht sich zu einer unterwürfigen, unglücklichen und kläglichen Grimasse verzog.
    Der Direktor antwortete nicht. Die schwere Tasche in der Hand, mit einem elenden Gefühl im ganzen Körper, aber töricht und kläglich lächelnd, machte Efim einige Schritte auf den Schreibtisch zu, wobei er sich auch noch fortgesetzt verbeugte.
    »Rachlin, Efim Semjonowitsch«, stellte er sich vor und starrte den Direktor erwartungsvoll an. Aber Andrej Andrejewitsch fixierte Efim ungerührt und unverhohlen

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