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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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hatte es eilig, »dort, im Westen, muß doch eine solche Geschichte gefallen ? Wenn der Titel langweilig ist, kann ich mir einen anderen ausdenken. Zum Beispiel Harakiri? Was meinst du? Ist das nicht toll? Wenn es sein muß, kann ja ein Schuß Sex dazukommen. Auf unserem Schiff war eine Köchin, die schlief mit der ganzen Besatzung.«
    »Keine Köchin«, meinte ich, »ein Koch ist besser. Im Westen interessiert man sich für Homosexuelle.«
    »Das ist gut«, sagte Efim sehr ernst. Er blieb stehen, zog aus der Aktentasche ein großes Notizbuch hervor und schrieb, den Handschuh zwischen den Zähnen, etwas hinein. »Stimmt, wir hatten auch einen Homo, aber das war nicht ein Koch, sondern der Erste Offizier. Und der schlief, du wirst es mir kaum glauben, mit dem Ersten Stellvertreter.«
    »Und wer war dieser Stellvertreter?«
    »Der Erste Stellvertreter auf dem Schiff ist der Politoffizier«, erklärte er, da er die Zweideutigkeit meiner Frage nicht verstand.
    »Ihr habt also zwei Schwule gehabt?«
    »Wie kommst du darauf?« wunderte sich Efim.
    »Ich komm' nicht darauf, sondern ich höre zu. Du hast doch selbst gesagt, der Erste war ein Homo und schlief mit dem Politoffizier. Was war denn nun dieser Politoffizier?«
    »Na so was!« Efim war verblüfft und stellte die Aktentasche wieder ab. »Ist ja kinderleicht, und ich bin nicht darauf gekommen! Weil ich, weißt du, meine ganze Aufmerksamkeit auf andere Details gerichtet hatte. Moment!« Er zog das Notizbuch heraus. »Was bin ich für ein Idiot! So einfach ist das, und ich komm' nicht drauf!«
    Ich war nicht im mindesten erstaunt, daß er nicht darauf gekommen war. Er hatte schon immer mit der Logik auf Kriegsfuß gestanden, und seine Bücher strotzten vor Ungereimtheiten, die nur bei uns durchgehen konnten. Dieses Mal sagte ich es Efim ohne Umschweife und fuhr dann fort: »Meinetwegen, du wirst diesen Roman schreiben. Erstens dauert das noch eine Weile...«
    »Ich schreibe schnell, das weißt du doch«, fiel er mir ins Wort.
    Wir waren am Ende des Boulevards angelangt und blieben, im Begriff umzukehren, einen Augenblick vor dem Kiosk mit den Gebietszeitungen stehen. Ein Auswärtiger in langem Mantel und dunklen Filzstiefeln mit Galoschen stierte in die Woronesch-Prawda, wobei er von einem langen Weißbrot mit den Zähnen ein großes watteähnliches Stück nach dem anderen abriß und verschlang. In der anderen Hand trug er ein Einkaufsnetz mit den gleichen Broten.
    »Nehmen wir an, du wirst wirklich schnell fertig, und sie werden ihn dort veröffentlichen. Dann ist immer noch nicht entschieden, ob du Erfolg haben wirst oder nicht. Hier aber ist für dich alles aus. Natürlich, wenn du Kurs auf Israel nimmst...«
    »Nie und nimmer!« fiel er mir heftig ins Wort, »ich habe für diese Erde« - er wurde pathetisch - »mein Blut vergossen. Ich bleibe hier. Ich werde kämpfen, mit Krallen und mit Zähnen. Aber ich werde keinem erlauben, meine menschliche Würde mit Füßen zu treten. Ihre Dreistigkeit geht so weit, daß sie mir nicht einmal eine Mütze gönnen. Wie viele Bücher hast du geschrieben ? Zwei ? Drei ? Dabei läufst du mit einer Mütze auf dem Kopf herum! Und ich mit meinen elf - hier!« Er klatschte sich so laut auf die Glatze, daß der Mann vor uns zusammenfuhr, sich umdrehte und uns mit dem letzten Stück Weißbrot im Mund fassungslos anstarrte.
    »Ich habe nicht Sie gemeint«, erklärte Efim verlegen.
    Auf dem Rückweg machte ich Efim klar, daß ich nicht zwei oder drei, sondern sechs Bücher, für einen Literaturwissenschaftler eine stattliche Zahl, geschrieben, daß ich meine Ziegenmütze von niemandem erhalten, sondern vorletztes Jahr auf dem Markt in Kutaissi aus eigener Tasche bezahlt hätte.
    »Und du hattest doch eine viel bessere Mütze«, schloß ich, »aber du hast sie Tischka geschenkt.«
    »Und was rätst du mir also ? Soll ich meine Mütze zurückverlangen?«
    Efim blieb stehen, schwenkte seine Aktentasche und betrachtete mich mit kühlem Interesse.
    Ich riet ihm, bevor er so oder anders handelte, die möglichen Folgen zu bedenken.
    »Vielen Dank«, sagte er ironisch und sah auf seine Armbanduhr. »Entschuldige, für mich wird's Zeit.«
    Er streckte mir reserviert die behandschuhte Rechte entgegen, zog den Kopf noch tiefer in den Kragen und ging mit raschen Schritten in Richtung Puschkin-Platz davon.
    Als ich nach Hause kam, war ich sehr niedergeschlagen und rief besorgt Baranow an.
    »Ihr Freund«, sagte ich, »ist, glaube ich, endgültig

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