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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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gesagt ? Du hast gesagt, daß Politik nicht dein Fach sei, ebensowenig wie Geographie, daß du nicht einmal weißt, wo Afghanistan liegt. Ich darf mir so was nicht leisten. Ich darf nicht sagen, daß Politik nicht mein Fach ist. Ich muß auf jede Frage eine konkrete Antwort geben, und ich gebe sie. Was denke ich über Afghanistan ? Ich denke, daß die Partisanen ausgerottet werden müssen. Was denke ich über politische Strafgefangene? Ich denke, daß es politische Strafgefangene nur in Südafrika, Chile und auf Haiti gibt und daß bei uns nur Kriminelle und Geisteskranke isoliert werden. Meinst du, es fällt mir leicht, so zu reden? Nein, das fällt mir sehr, sehr schwer. Ich möchte auch lächeln und angelächelt werden. Ich möchte auch von guten Menschen schreiben, und ich möchte auch so tun, als hätte ich von Geographie und Politik keinen blassen Dunst. Du schreibst nicht gegen das Sowjetregime und meinst, wir müssen uns dafür bei dir bedanken. Nee, das müssen wir nicht. Uns reicht es nicht, daß du nicht gegen uns bist. Wir wollen, daß du für uns bist. Wenn du für den Frieden kämpfst, wenn du, so wie ich, über Gebiets-und Kreiskomitee-Sekretäre schreibst, dann wirst du auch alles bekommen. Dann werden wir dir verzeihen, daß du Jude bist, dann wirst du deine Datscha haben und deine Mütze, sei sie aus Bisam oder Rentier. Aber jemand, der ewig ausweicht und die Nase rümpft, der beißt bei uns auf Granit!« Bei diesen Worten hielt er Efim eine riesige  Figa  vor die Nase. Diese grobe Geste machte er völlig spontan, und er ahnte nicht, welche Folgen sie haben sollte. An einem anderen Tag wären diese wahrscheinlich ausgeblieben, aber da... Später konnte Efim nicht begreifen, wie es dazu kam. Als er die Figa dicht vor sich sah und hörte »der beißt bei uns auf Granit«, fuhr er zuerst zurück, taumelte dann einen Schritt vorwärts, schnappte wie ein Hund nach Karetnikows Daumen und biß hinein, bis auf den Knochen.
    Das geschah so unerwartet, daß Wassilij Stepanowitsch den Schmerz nicht sofort spürte. Er riß die Hand zurück, betrachtete Efim, betrachtete seinen Daumen, heulte plötzlich auf und begann wie ein Wahnsinniger im Kreis herumzurennen, wobei er die Hand unentwegt schüttelte. Das Blut tropfte auf den Perser.
    Larissa Jewgenjewna, immer noch mit Lockenwicklern, stürzte herein. Die Hausangestellte Nadja folgte ihr mit dem Wischlappen in der Hand.
    »Wasja, was ist geschehen ?« schrie Larissa Jewgenjewna mit schriller Stimme.
    »U-u-u-u-u!« Karetnikow heulte wie eine Lokomotivsirene und schüttelte die blutende Hand.
    »Fima!« Larissa Jewgenjewna wandte sich an Efim. »Ich verstehe nicht, was ist hier geschehen ?«
    Fima blieb, wie später erzählt wurde, völlig gelassen. Er holte den Wodka aus dem Regal, trank den Rest aus, hob seine offene Aktentasche vom Boden auf und ging.
    Ich meinerseits glaube, daß Efim sich mit diesem Biß einen weiteren und nunmehr irreparablen psychischen Schaden zugefügt hatte. Er kam von Karetnikow schnurstracks zu mir und zitterte vor freudiger Erregung.
    »Weißt du, was geschehen ist? Wie? Du hast noch nichts gehört?«
    Auf der Stelle begann er zu berichten, teils beschreibend, teils mit verteilten Rollen: Wie er ins Haus kam, wie Karetnikow sich bei den Ohren packte und mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Übrigens schilderte er die letzte Szene so komisch, daß ich mir vor Lachen den Bauch hielt. Er lächelte überlegen und schien mit sich sehr zufrieden.
    »Da kenne ich nix!« Er stand vor mir im offenen Lammpelz, gestikulierte und deklamierte, »ich bin ein einfacher Mensch. Wenn jemand zu mir sagt >beiß auf Granit<, dann beiß ich eben. Was denn sonst? Wenn ich so dringend aufgefordert werde, muß ich's doch tun! Ich habe gute Zähne, Porzellan, Arkascha Glotow hat dafür vier Hunderter kassiert. Wenn ich etwas abbeißen soll, bitte schön, ich bin jederzeit dazu bereit.«
    Ich betrachtete ihn neugierig: Er wirkte immer so schüchtern, und nun war er so tollkühn. Überzeugt, daß der Mensch unter dem Einfluß äußerer Umstände sich niemals grundsätzlich verändern kann, glaubte ich, es handelte sich um ein einmaliges Bravourstück, das unweigerlich in einem hysterischen Anfall enden müßte. Oder traten hier plötzlich irgendwelche verdrängten Charakterzüge an die Oberfläche, die auch schon früher zu beobachten gewesen waren, nur in anderer Form? Hatte er doch viele risikoreiche Situationen durchgestanden, wenn er mit seinen mutigen

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