Die Mütze
der zweiten, der hinteren Reihe zufriedengeben, und an seiner Stelle prangten jetzt Bände von Gustav Husak. Folglich, schloß Efim, muß man mit Veränderungen im Verhältnis der Partei zu Stalin rechnen.
Schließlich öffnete Karetnikow erst das eine Auge und richtete es erstaunt auf Efim, dann - das zweite.
»Wie spät ist es ?« fragte er.
»Viertel nach eins.« Efim flüsterte, als fürchtete er sich, ihn zu wecken. Karetnikow streckte die Hand aus.
»Gib her!«
Er trank aus der Flasche, nicht mehr so gierig wie vorher, verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Also los, raus mit der Sprache, Warum kommst du?« Was willst du? Datscha? Auto? Eine Kur auf der Krim? Ein Abonnement für Amerika ?«
»Aber nicht doch«. Efim lächelte, und seine ganze Erscheinung ließ erkennen, daß seine Ansprüche wesentlich bescheidener waren, eigentlich eine Bagatelle, um derentwillen er sich kaum berechtigt fühlte, einen so bedeutenden Mann zu belästigen.
»Los, los!« ermunterte ihn Wassilij Stepanowitsch.
Schließlich nahm sich Efim ein Herz und brachte ziemlich zusammenhanglos und unsicher seine Bitte vor. Wassilij Stepanowitsch hörte ihm aufmerksam zu, nahm, als er fertig war, einen Schluck aus der Flasche und sah Efim nun mit einem veränderten Ausdruck an.
»Das bedeutet also«, begann er mit völlig nüchterner Stimme, »das bedeutet, du bittest nicht um eine Datscha, du legst keinen Wert auf ein Auto, du machst dir nichts aus einer Kur im Künstlersanatorium, nicht einmal die Zeitschrift Amerika ist für dich interessant, du möchtest nur eine Mütze. Allerdings nicht die erste beste. Katze entspricht nicht deinen Vorstellungen. Stimmt's? Und Kaninchen auch nicht?«
Efim lächelte und schlug bescheiden die Augen nieder.
»Nun ja«, wiederholte Karetnikow wohlwollend. »Nur eine Mütze. Katze paßt dir nicht und Kaninchen auch nicht. Willst du vielleicht eine Bojarenmütze ? Vielleicht aus Zobel ? Was fällt dir eigentlich ein!« Er sprang auf, schlug sich auf die Schenkel und brüllte los. »Du willst mich wohl für dumm verkaufen! Du glaubst wohl, du bist ein jüdischer Fuchs, und ich bin von Hand gemacht und habe die Suppe mit dem Bastschuh gelöffelt! Du denkst, eine Datscha ist viel und eine Mütze gar nichts. Du lügst!« Er brüllte so laut, daß Efim unwillkürlich zurückwich.
»Aber Wassilij Stepanowitsch«, murmelte Efim erschrocken, »was reden Sie... Aber wieso... Ich verstehe Sie einfach nicht.«
»Du lügst!« wiederholte Wassilij Stepanowitsch entschieden, »du lügst, und du weißt es ganz genau. Du weißt genausogut wie ich, daß es dir nicht um die Mütze geht. Du kannst eine viel bessere Mütze für ein paar Hunderter auf dem Schwarzen Markt kaufen. Aber du willst sie gar nicht. Du willst etwas ganz anderes. Du möchtest auf die billige Tour in eine höhere Kategorie, in eine andere Klasse überwechseln. Du willst die gleiche Mütze haben wie ich, und du willst überhaupt, daß wir beide gleich behandelt werden. Du und ich, Sekretär des Schriftstellerverbandes, ZK-Mitglied, Abgeordneter des Obersten Sowjets, Lenin-Preisträger, Vizepräsident des Weltfriedensrates. Stimmt's? Das stimmt!« Karetnikow gab sich selbst die Antwort mit sichtlicher Befriedigung. »Genau das. Du bist schlau, ich sehe es. Du bist viel zu schlau. Du wirst über gute Menschen schreiben, du wirst so tun, als gäbe es kein Sowjetregime, kein Rayonkomitee, kein Gebietskomitee und willst die gleiche Mütze tragen wie ich ? Da bist du schief gewickelt, mein Lieber! Wenn es dir tatsächlich darum geht, daß wir gleich be-bandelt werden, dann müssen wir auf der ganzen Linie gleich sein. Dann mußt du genauso wie ich entschlossen und ohne die Nase zu rümpfen, schreiben: >Immer mit der Partei, immer mit dein Volk. < Dann mußt du erst zehn, zwanzig, dreißig Jahre mit bedeutendem und säuerlichem Gesicht im Präsidium hocken, dann mußt du ein paar hundert nichtssagende Reden halten, und dann erst darfst du nach der Mütze fragen. Was dem nicht einfällt! Der will eine bessere Mütze haben! Warum eigentlich? Du beneidest mich wohl, daß ich ins Ausland fahre und von dort allen möglichen Ramsch mitbringe. Aber du siehst doch nur die eine Seite meines Lebens. Du willst nicht sehen, daß ich dort, außer einzukaufen, für Frieden auf der ganzen Welt, hol ihn der Teufel, zu kämpfen habe! Du bist doch auch schon als Tourist in Paris gewesen. Hat man dich dort interviewt ? Man hat dich interviewt. Und was hast du
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