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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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aber man konnte es kaum als Tanzen bezeichnen, denn inzwischen herrschte ein solches Gedränge, daß sie praktisch nur dastehen, sich hin und her wiegen und von einem Fuß auf den anderen treten konnten. Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn sie hielten einander in den Armen, und ihre Wangen berührten sich, und dann und wann küßte Ambrose sie aufs Ohr oder flüsterte ihr etwas sehr Gewagtes zu.
    Als sie in die Oakley Street einbogen, war es fast zwei Uhr. Sich an den Händen haltend und ein Lachen unterdrückend, tasteten sie nach dem Türöffner und gingen vorsichtig die steile Steintreppe hinunter.
    »Wer hat schon Angst vor Bomben?« sagte Ambrose. »Man kann sich ebensogut das Genick brechen, wenn man während der Verdunkelung herumstolpert.«
    Penelope löste sich von ihm, fand den Schlüssel und das Schlüsselloch und bekam nach einigen erfolglosen Versuchen endlich die Tür auf. Er trat an ihr vorbei in das warme, samtene Dunkel. Er hörte, wie sie hinter sich die Tür abschloß, und dann, als sie es gefahrlos tun konnte, das Licht anknipste.
    Alles war still. Die Bewohner der Stockwerke über ihnen schliefen friedlich. Nur das Ticken der Uhr oder das gelegentliche Motorengeräusch eines vorbeifahrenden Autos unterbrach die Stille. Das Feuer im Kamin war niedergebrannt, doch Penelope ging in das andere Ende des Raums, schürte die Glut und knipste eine Lampe an, und das warm beleuchtete Wohnzimmer glich einer Bühne, vor der sich unvermittelt der Vorhang gehoben hatte. Erster Akt, erste Szene.
    Jetzt fehlten nur noch die Schauspieler.
    Er ging nicht gleich zu ihr. Er fühlte sich angenehm beschwipst, aber er hatte den Punkt erreicht, an dem er noch ein Glas brauchte. Er trat zur Whiskyflasche, schenkte sich ein wenig ein und füllte das Glas mit Soda aus einem Siphon auf. Dann löschte er die Küchenlampe und ging zu der knisternden Glut und dem breiten kissenbedeckten Sofa und dem Mädchen, das er den ganzen Abend lang begehrt hatte.
    Sie kniete auf dem Kaminvorleger, um sich an den letzten kleinen Flammen zu wärmen. Sie hatte die Schuhe ausgezogen. Als er näher trat, wandte sie den Kopf und lächelte. Es war spät, und sie hätte müde sein können, aber ihre Augen schimmerten, und ihr Gesicht glühte.
    Sie sagte: »Warum hat ein Feuer diese gesellige Wirkung? Es ist, als wäre noch jemand im Zimmer.«
    »Ich bin froh, daß es nicht so ist. Ich meine, daß niemand anders da ist.«
    Sie war vollkommen entspannt und glücklich. »Es war ein schöner Abend. Ich habe mich selten so amüsiert.«
    »Er ist noch nicht zu Ende.«
    Er setzte sich in einen niedrigen, breiten Sessel. Er sagte: » Mit deinem Haar stimmt etwas nicht.«
    »Wieso?«
    »Zu perfekt für die Liebe.«
    Sie lachte, griff nach oben und fing an, die Nadeln aus dem hoch sitzenden Knoten zu ziehen. Wortlos beobachtete er die klassische weibliche Geste, die erhobenen Arme, das dünne Cape, das sich wie ein Schal aus feinster Seide um ihren langen Hals schmiegte.
    Die letzte Nadel war entfernt, und sie schüttelte den Kopf, so daß die lange dunkle Haarflut über ihre Schultern auf den Rücken fiel.
    Sie sagte: »Jetzt bin ich wieder ich selbst.«
    Die alte Wanduhr in der Küche schlug zweimal, und die Schläge klangen melodisch wider und verhallten. Sie sagte: »Zwei Uhr morgens.«
    »Eine gute Zeit. Die richtige Zeit.«
    Sie lachte wieder, als brauchte er nur den Mund aufzutun und irgend etwas zu sagen, um ihr Freude zu bereiten. Das glimmende Feuer verbreitete eine wohltuende intensive Wärme. Er stellte sein Glas hin und legte den Uniformrock ab, löste den Knoten der Krawatte, zog sie herunter und knöpfte den hinderlichen gestärkten Kragen seines Hemds auf. Dann stand er auf, beugte sich über sie und zog sie hoch. Er küßte sie und vergrub das Gesicht in der dichten, duftenden Haarfülle, und seine Hände fühlten durch den dünnen Chiffon ihren schlanken jungen Körper, ihre zarten Rippen, das stete Pochen ihres Herzens. Er hob sie hoch - für ein so großgewachsenes Mädchen war sie überraschend leicht -, machte ein paar Schritte und legte sie auf das Sofa, und die magische Haarflut breitete sich rings um ihr Gesicht über das fadenscheinige Kissen. Sie lachte immer noch. Nun hämmerte sein Herz schmerzhaft, und alle Fibern seines Körpers brannten vor Verlangen nach ihr. Er hatte sich während der kurzen Beziehung zu ihr dann und wann unwillkürlich gefragt, ob sie noch Jungfrau sei, aber nun fragte er sich nicht, denn es

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