Die Muschelsucher
hatten sich zum Besseren geändert. Doris hatte ihre üppigen Rundungen verloren und war richtig schlank geworden, und sie hatte aufgehört, sich das Haar zu färben, und ließ es gerade auswachsen, so daß sie nun, zur Hälfte wasserstoffblond und zur anderen Hälfte stumpfbraun, wie ein geschecktes Pony aussah. Ronald und Clark waren größer geworden, hatten eine gesunde Farbe bekommen und waren nicht mehr so mager wie damals. Ihre Haare waren nun länger, und ihr Cockney-Akzent hatte deutliche komische Obertöne. Und die Zahl der Enten und Hühner hatte sich verdoppelt, und eine alte Henne hatte ihre Eier unbemerkt in einer defekten alten Schubkarre gelegt, die in einem Brombeerdickicht versteckt war, und dort ausgebrütet.
Penelope wollte nur eines, alles erfahren und nachvollziehen, was sich seit dem unendlich fern wirkenden Tag, an dem sie in den Zug gestiegen und nach Portsmouth gefahren war, in Cam Cottage und Porthkerris zugetragen hatte. Sophie enttäuschte sie nicht. Colonel Trubshot leitete den Zivilluftschutz und ging allen auf die Nerven. Das Sands Hotel war requiriert worden und beherbergte jetzt Soldaten. Die alte Mrs. Treganton, die ungekrönte Herrscherin des Ortes, eine ehrfurchtgebietende Dame mit großen baumelnden Ohrringen, hatte eines Tages eine Schürze umgebunden und die Leitung der Truppenkantine übernommen. Der Strand war mit Stacheldraht abgesperrt worden, und sie bauten längs der ganzen Küste Maschinengewehrnester aus Beton. Miss Preedy gab keinen Tanzunterricht mehr, sondern unterrichtete nun Leibesertüchtigung an einer Mädchenschule, die aus Kent evakuiert worden war, und Miss Pawson war während der Verdunkelung über ihre Handspritze samt Eimer gestolpert und hatte sich das Bein gebrochen. Als sie schließlich nichts mehr zu erzählen hatten, hofften sie verständlicherweise, daß ihre Tochter berichtete, wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen war, und alles über ihr neues Leben - das sie sich beim besten Willen nicht vorstellen konnten - erzählte. Aber Penelope wollte nicht erzählen. Sie wollte nicht darüber sprechen. Sie wollte nicht an die Wal-Insel und an Portsmouth denken. Sie wollte nicht einmal an Ambrose denken. Früher oder später würde sie es natürlich müssen. Aber nicht jetzt. Nicht heute abend. Sie hatte eine ganze Woche Zeit. Es konnte warten.
Vom Hügel aus sah man das Land ringsum, das in der Sonne des warmen Frühlingsnachmittags vor sich hin zu dösen schien. Das sonnengetupfte Wasser der großen Bucht im Norden glitzerte blau. Trevose Head verschwamm im Dunst, ein sicheres Zeichen dafür, daß das schöne Wetter anhalten würde. Im Süden lag der Bogen der anderen Bucht mit dem Berg und der Burg, und dazwischen erstreckte sich Weideland, smaragdgrüne, von schmalen heckengesäumten Wegen unterbrochene Wiesen, wo Rinder und Schafe zwischen den herausragenden Granitbuckeln grasten. Eine leichte Brise wehte einen Duft von Thymian heran, und die einzigen Geräusche waren das gelegentliche Bellen eines Hundes und das ferne, gedämpfte Rattern eines Traktors.
Sie und Sophie waren die acht Kilometer von Cam Cottage gelaufen. Sie nahmen die schmalen Wege, die zum Hochmoor hinaufführten, wo die grasigen Böschungen mit wilden Primeln gesprenkelt waren und Schöllkraut in dichten gelben Ständen an den Wasserrinnen wuchs. Zuletzt waren sie über den Zaun geklettert und den sumpfigen Pfad hinaufgegangen, der sich zwischen Brombeerdickichten und hohem Adlerfarn hindurch zur Spitze des Hügels wand, zu den flechtenüberzogenen, steil aufragenden Felsblöcken, wo einst, vor Tausenden von Jahren, die kleinwüchsigen Männer gestanden hatten, die dieses Land bewohnten, um zu beobachten, wie die Segelschiffe der Phönizier, die ihre orientalischen Schätze gegen das begehrte Zinn eintauschen wollten, in der Bucht vor Anker gingen.
Nun waren sie müde von dem langen Marsch und ruhten sich aus. Sophie lag auf einem weichen Moospolster, stützte sich auf einen Ellbogen und hielt sich zum Schutz gegen die grelle Sonne die Hand über die Augen. Penelope saß, das Kinn umfassend, neben ihr. Weit oben am Himmel glitt ein Flugzeug wie ein winziges silbriges Spielzeug über ihnen hinweg. Sie blickten beide hoch und sahen zu, wie es durch das Blau zog. Sophie sagte: »Ich mag Flugzeuge nicht. Sie erinnern mich an den Krieg.«
»Mußt du immer an ihn denken?«
»Manchmal zwinge ich mich dazu, ihn zu vergessen. Ich tue einfach so, als gäbe es ihn nicht. An einem Tag wie
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