Die Muschelsucher
Ahnung, daß du so naiv bist. Ich war eine sehr schlechte Mutter.«
»Ich habe dich nie als meine Mutter gesehen. Für mich warst du wie eine Schwester.«
»Na ja, dann war ich eben eine schlechte Schwester.« Sie seufzte. »Was machen wir jetzt?«
»Wir gehen zurück und sagen es Papa, nehme ich an. Und dann fahre ich zurück nach Portsmouth und sage es Ambrose.«
»Wirst du ihn heiraten?«
»Ja, wenn er mich fragt.«
Sophie dachte darüber nach. Dann sagte sie: »Ich weiß, du mußt diesen jungen Mann sehr mögen, sonst würdest du nicht sein Kind in dir tragen. Ich kenne dich gut genug, um das zu wissen. Aber du brauchst ihn wegen des Kindes nicht unbedingt zu heiraten. Es muß noch etwas anderes geben.«
»Du hast Papa doch auch geheiratet, als ich unterwegs war.«
»Ja, aber ich habe ihn geliebt. Ich habe ihn immer geliebt. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Ich hätte ihn nie verlassen, ob mit oder ohne Heirat.«
»Werdet ihr zur Hochzeit kommen, wenn ich Ambrose heirate?«
»Ich wüßte nicht, was uns daran hindern sollte.«
»Ich möchte, daß ihr kommt. Und dann, später. Wenn er die Prüfung bestanden hat, kommt er auf ein Schiff und fährt fort. Kann ich dann nach Haus kommen und bei dir und Papa bleiben? Das Kind in Cam Cottage bekommen?«
»Was für eine Frage! Was solltest du sonst tun?«
»Ich nehme an, ich könnte eine gefallene Frau werden, wie man sagt, aber ich möchte es lieber nicht.«
»Du wärst ohnehin nicht gut in der Rolle.«
Penelope war von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt. »Ich habe gewußt, daß du so reagieren würdest. Wie schrecklich wäre es, wenn du so wärst wie andere Mütter.«
»Vielleicht wäre ich dann ein besserer Mensch. Ich bin nämlich kein guter Mensch. Ich bin egoistisch. Ich denke zuviel an mich selbst. Jetzt ist dieser furchtbare Krieg, und es wird noch sehr schlimm werden, ehe es vorbei ist. Söhne und Töchter werden getötet werden, und Väter und Brüder, und alles, was ich empfinden kann, ist Dankbarkeit darüber, daß du bald nach Haus kommen wirst. Du hast mir so sehr gefehlt. Aber bald sind wir wieder zusammen. Wie schlimm es auch werden wird, wir werden wenigstens wieder zusammen sein.«
Ambrose stellte das Glas mit dem doppelten Scotch nicht ab, als er mit seiner Mutter telefonierte.
»Coombe Hotel.« Es war eine weibliche, etwas affektiert klingende Stimme.
»Ich möchte bitte Mrs. Keeling sprechen. Ist sie im Haus?«
»Wenn Sie bitte einen Moment warten würden, ich sehe nach. Ich glaube, sie ist im Salon.«
»Vielen Dank.«
»Dürfte ich um Ihren Namen bitten?«
»Ich bin ihr Sohn. Oberleutnant Keeling.«
»Danke.« Er wartete. »Hallo?«
»Mama!«
»Oh, guten Tag, mein Lieber. Wie schön, deine Stimme zu hören. Von wo rufst du an?«
»Von der Wal-Insel. Hör zu, Mama. Ich muß dir etwas sagen.«
»Ich hoffe, es ist eine gute Nachricht.«
»Ja, eine sehr gute.« Er räusperte sich. »Ich habe mich verlobt und werde bald heiraten.« Verblüfftes Schweigen. »Mama?«
»Ja, ich bin noch da.«
»Alles in Ordnung?«
»Ja. Ja, natürlich. Hast du gesagt, du wirst bald heiraten?«
»Ja. Am ersten Sonnabend im Mai. Im Standesamt von Chelsea. Kannst du kommen?«
Es klang, als lüde er sie zu einer kleinen Party ein. »Aber... Wann?... Wo?... Oh, mein Lieber, du bringst mich ganz durcheinander.«
»Bitte, laß dich nicht durcheinanderbringen. Sie heißt Penelope Stern. Sie wird dir gefallen«, fügte er ohne große Hoffnung hinzu.
»Aber. Wann ist all das passiert?«
»Kürzlich. Deshalb rufe ich dich an. Um dir gleich Bescheid zu sagen.«
» Aber. Wer ist sie?«
»Sie ist beim Frauen-Marinehilfskorps.« Er versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, was seine Mutter beruhigen würde. »Ihr Vater ist Maler. Sie leben in Cornwall.« Wieder Schweigen. »Und sie haben ein Haus in der Oakley Street.«
Er erwog, den Viereinhalbliter-Bentley zu erwähnen, aber seine Mutter hatte noch nie viel für Autos übrig gehabt. »Liebling. Entschuldige, daß ich nicht sehr erfreut klinge, aber du bist noch sehr jung. Deine Karriere.«
»Es ist Krieg, Mama.«
»Das weiß ich. Besser als viele andere.«
»Du kommst doch zur Hochzeit?«
»Ja. Ja, selbstverständlich. Ich werde das Wochenende über nach London kommen. Ich wohne am besten im Basil Street.«
»Großartig. Dann kannst du sie kennenlernen.«
»O Ambrose.«
Es klang, als sei sie in Tränen aufgelöst.
»Entschuldige, daß ich dich so damit überrumpelt habe.
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