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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Leute, die Angst vor Bomben hatten oder sich davor drückten, ihren Beitrag zu leisten. Nun erklärte Dolly mit fester Stimme: »Wenn Ambrose sich für sie entschieden hat, ist sie sicher ein Schatz.« Dann fügte sie rasch hinzu: »Außerdem habe ich mir schon immer eine Tochter gewünscht.« Das stimmte nicht. Oben in ihrem Zimmer, allein und unbeobachtet, konnte sie so sein, wie sie wirklich war, konnte die Maske fallenlassen. Überwältigt von Selbstmitleid und dem Gefühl der Einsamkeit, durchbohrt vom Stachel der Eifersucht auf die künftige Schwiegertochter, die dafür sorgen würde, daß ihr Sohn ihre Liebe zurückwies, suchte sie Trost in ihrer Schatzkiste, ihrem Kleiderschrank, der voll war von teuren Sachen. Weiche Seide, hauchzarter Chiffon und feinste Wollstoffe glitten durch ihre Hände. Sie holte ein sehr elegantes Kleid heraus, trat zum Spiegel und hielt es sich an. Eines ihrer Lieblingskleider. Sie war sich immer so hübsch darin vorgekommen. So hübsch. Sie begegnete ihrem Blick im Spiegel und sah, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten. Ambrose. Er liebte eine andere. Er würde sie heiraten. Sie ließ das Kleid auf den Polsterstuhl fallen, warf sich aufs Bett und weinte.
    Es war Frühling. London blühte und duftete nach Flieder. Die warme Sonne schien auf Bürgersteige und Dächer und wurde von den silbernen Wölbungen der hoch oben schwebenden Sperrballons reflektiert. Es war Mai, ein Freitag im Mai, mittags. Dolly Keeling, die ein Zimmer im Basil Street Hotel genommen hatte, saß an einem Fenster des Salons im ersten Stock auf dem Sofa und wartete auf ihren Sohn und seine Verlobte.
    Als er im Laufschritt, die Mütze in der Hand, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe heraufkam, fand sie ihn umwerfend schneidig in seiner Navy-Uniform und freute sich unendlich, ihn wiederzusehen, zumal er allein zu sein schien. Vielleicht kam er, um ihr zu sagen, daß er beschlossen hatte, die Verlobung zu lösen, daß er doch nicht heiraten würde. Sie stand erwartungsvoll auf und ging ihm entgegen.
    »Hallo, Mama.« Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuß. Seine Größe war eine ihrer Wonnen, weil sie bewirkte, daß sie sich verletzlich und hilflos vorkam.
    »O Liebling. wo ist Penelope denn? Ich dachte, ihr wolltet zusammen kommen.«
    »Das sind wir auch. Wir sind heute morgen von Pompey hergefahren. Aber sie wollte dir nicht in Uniform vor Augen treten, also hab ich sie in der Oakley Street abgesetzt und bin allein weitergefahren. Sie wird gleich nachkommen.« Die winzige Hoffnung erstarb fast so schnell, wie sie aufgekeimt war, aber sie würde Ambrose immerhin noch eine kleine Weile für sich allein haben. Und so, allein mit ihm, konnte sie besser mit ihm reden.
    »Gut, dann warten wir. Komm und setz dich und erzähl mir, was du alles geplant und vorbereitet hast.« Sie begegnete dem Blick eines Kellners, der sich sofort näherte, und bestellte einen Sherry für sich und einen Pink Gin für Ambrose. »Oakley Street. Sind ihre Eltern schon da?«
    »Nein. Das ist die schlechte Nachricht. Ihr Vater hat Bronchitis. Sie hat es erst gestern abend erfahren. Sie werden nicht zur Hochzeit kommen können.«
    »Aber ihre Mutter könnte doch kommen?«
    »Sie sagt, sie muß in Cornwall bleiben und nach dem alten Knaben sehen. Er ist wirklich schon ziemlich alt. Fünfundsiebzig. Ich nehme an, sie wollen kein Risiko eingehen.«
    »Aber es sieht komisch aus. nur ich bei der Trauung.«
    »Penelope hat eine Tante, die in Putney wohnt. Und Freunde, ein Ehepaar namens Clifford. Sie werden kommen. Das reicht.« Die Drinks wurden serviert, und Dolly ließ sie auf ihre Rechnung schreiben. Sie hoben die Gläser. Ambrose sagte: »Auf dich«, und Dolly lächelte selbstgefällig und war sicher, daß die anderen Anwesenden im Salon des Hotels ihre Blicke nicht losreißen konnten von dem attraktiven jungen Marineoffizier und der hübschen Frau, die viel zu jung aussah, um seine Mutter zu sein. »Und was sind deine weiteren Pläne?«
    Er erzählte es ihr. Er habe die Artillerieprüfung bestanden, würde für eine Woche auf die Divisionsakademie gehen und dann endlich in See stechen. »Aber die Hochzeitsreise?«
    »Wir machen keine Hochzeitsreise. Morgen wird geheiratet, dann übernachten wir in der Oakley Street, und Sonntag geht’s wieder zurück nach Portsmouth.«
    »Und Penelope?«
    »Ich setze sie Sonntag morgen in den Zug nach Porthkerris.«
    »Porthkerris? Fährt sie denn nicht mit dir nach Portsmouth

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