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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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als Gleichwertige und nicht mehr als zwei lärmende Rangen mit hungrigen Mäulern, die gefüttert werden mußten. Als Menschen wie sie. Die kommende Generation.
    An einem Sonnabend ging sie mit den drei Kindern zum Strand. Bei der Rückkehr nach Cam Cottage lief sie General Watson-Grant in die Arme, der gerade wieder heimgehen wollte. Er war gekommen, um Lawrence zu besuchen. Sie hatten einen kleinen Schwatz gehalten. Doris hatte ihnen Tee gemacht. Nun wollte er zurück nach Haus.
    Penelope brachte ihn zur Pforte. Er blieb stehen und zeigte mit seinem Spazierstock auf eine Funkienstaude mit fleischigen Blättern und spitzen weißen Blütenständen. »Hübsche Dinger«, bemerkte er. »Vorzügliche Bodendecker.«
    »Ich mag sie auch sehr. Sie sind so exotisch.«
    Sie gingen die Steinbrechhecke entlang, an der bereits zahlreiche tiefrosa Knospen prangten. »Ich kann gar nicht glauben, daß der Sommer da ist. Als ich vorhin mit den Kindern am Strand war, habe ich den alten Mann mit dem Rübengesicht gesehen, der immer den Strand fegt. Und es werden schon einige Strandzelte aufgebaut, und das Eiscafé hat geöffnet. Ich nehme an, jetzt dauert es nicht mehr lange, bis die ersten Sommergäste kommen. Wie die Schwalben.«
    »Haben Sie Nachrichten von Ihrem Mann?«
    »Ambrose? Nein, ich habe eine Weile nichts mehr von ihm gehört. Aber ich nehme an, es geht ihm gut.«
    »Wissen Sie, wo er ist?«
    »Im Mittelmeer.«
    »Dann wird er das große Ereignis nicht miterleben.« Penelope runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
    »Ich habe gesagt, er wird das große Ereignis nicht miterleben. Die Invasion. Die Eroberung des Kontinents.« Sie sagte schwach: »Nein.«
    »Pech für ihn. Ich will Ihnen etwas sagen, Penelope. Ich würde meinen rechten Arm dafür hergeben, wenn ich noch einmal jung sein könnte, um dabei zu sein, mitten im dicksten Schlamassel. Es hat lange gedauert, um bis zu diesem Punkt zu kommen. Zu lange. Aber jetzt ist das ganze Land bereit zuzuschlagen.«
    »Ja. Ich weiß. Der Krieg ist auf einmal wieder schrecklich wichtig geworden. Wenn man Nachrichten hören will, braucht man nur unten im Ort eine Straße entlangzugehen, sie schallen aus jedem Fenster. Und die Leute kaufen die Zeitung und lesen sie an Ort und Stelle, vor dem Laden auf dem Gehsteig. Es ist so wie damals bei Dünkirchen oder bei der Schlacht um England oder bei El Alamein.«
    Sie hatten die Pforte erreicht. Sie blieben wieder stehen, und der General stützte sich auf seinen Stock.
    »Der Besuch hat mich auf andere Gedanken gebracht. Ich bin einfach hergekommen, weil mir nach einem kleinen Plausch war.«
    »Mein Vater braucht ein bißchen Gesellschaft.« Sie lächelte. »Richard Lomax fehlt ihm sehr, weil er jetzt nicht mehr Backgammon spielen kann.«
    »Ja. Er hat es gesagt.« Ihre Blicke begegneten sich. Seine Augen blickten sehr freundlich, und sie fragte sich unwillkürlich, wieviel Lawrence seinem alten Freund erzählt hatte. »Ich hatte ehrlich gesagt gar nicht bemerkt, daß Lomax fort ist. Haben Sie von ihm gehört?«
    »Ja.«
    »Was treibt er?«
    »Er hat sich nicht sehr deutlich ausgedrückt.«
    »Verständlich. Ich glaube, die Sicherheitsmaßnahmen waren noch nie so streng.«
    »Ich weiß nicht mal, wo er ist. Die Adresse, die er mir gegeben hat, besteht aus lauter einzelnen Buchstaben und Ziffern. Und das Telefon könnte ebensogut noch nicht erfunden sein.«
    »Oh, na ja. Sie werden zweifellos bald von ihm hören.« Er öffnete die Pforte. »Jetzt muß ich aber los. Auf Wiedersehen, mein liebes Kind. Passen Sie gut auf Ihren Vater auf.«
    »Vielen Dank, daß Sie ihn besucht haben.«
    »Es war mir ein Vergnügen.« Er nahm unvermittelt den Hut ab und beugte sich vor, um ihr einen kleinen Kuß auf die Wange zu geben. Sie war sprachlos, denn er hatte so etwas noch nie getan. Sie stand da und sah ihm nach, wie er mit seinem Spazierstock rüstig ausschritt.
    Das ganze Land wartete. Warten war das Schlimmste. Auf den Krieg warten, auf Nachricht warten, auf den Tod warten. Sie erschauerte, machte die Pforte zu und ging langsam durch den Garten zurück.
    Richards Brief kam zwei Tage später. Penelope, die am frühen Morgen als erste unten war, sah ihn auf der Truhe in der Diele liegen, wo der Postbote ihn hingelegt hatte. Sie sah die schwarze Kursivschrift, den dicken Umschlag. Sie nahm ihn mit ins Wohnzimmer, setzte sich in Papas großen Sessel, zog die Beine hoch und öffnete ihn. Er enthielt vier doppelt zusammengefaltete Bogen dünnes gelbes

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