Die Muschelsucher
gewußt.«
»Wir sind ein Paar.«
»Auch das weiß ich. Ich habe beobachtet, wie du aufgeblüht bist, wie du angefangen hast, innerlich zu strahlen. Ein neuer Schimmer auf deinem Haar. Ich habe mir gewünscht, ich könnte noch einen Pinsel halten, um dieses Strahlen zu malen und für immer zu bewahren. Außerdem.« Er wurde prosaisch. »Außerdem verreist man nicht eine Woche lang mit einem Mann, um die ganze Zeit über das Wetter zu reden.« Sie lächelte ihn an, entgegnete aber nichts. »Was wird nun aus euch beiden?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und Ambrose?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich auch nicht.«
»Du hast ein paar Probleme.«
»Das ist sehr dezent ausgedrückt.«
»Du tust mir leid, Ihr tut mir beide leid. Ihr hättet etwas Besseres verdient, als euch mitten im Krieg kennenzulernen.«
»Du. du magst ihn, Papa, nicht wahr?«
»Ich habe noch nie jemanden so sehr gemocht. Ich hätte ihn gern als Sohn. Ich betrachte ihn als einen Sohn.«
Penelope, die nie weinte, fühlte, wie ihr auf einmal Tränen in die Augen stiegen. Aber dies war nicht die rechte Zeit für Gefühle. »Du bist ein unmoralischer Mensch«, erklärte sie ihrem Vater. »Ich habe es schon oft gesagt.« Die Tränen wichen Gott sei Dank zurück. »Du solltest es nicht gutheißen. Du solltest zur Peitsche greifen, mit den Zähnen knirschen und verbieten, daß Richard Lomax jemals wieder den Fuß auf deine Schwelle setzt.«
Er zog belustigt die Augenbrauen hoch. »Du beleidigst mich«, antwortete er.
Richard war fort, als Vorreiter eines allgemeinen Exodus. Mitte April war den Bewohnern von Porthkerris dann klar, daß der Ausbildungslehrgang der Königlichen Marineinfanterie, ihre eigene kleine Rolle im Krieg, beendet war. Die US-Ranger und die Kommandos zogen so still und unauffällig ab, wie sie gekommen waren, und die schmalen Gassen waren plötzlich sonderbar verlassen und hallten nicht mehr von Stiefelschritten und dem Lärm der Militärfahrzeuge wider. Die Landungsboote wurden eines Nachts im Schutz der Dunkelheit aus dem Hafen geschleppt, der Stacheldrahtverhau, der den Nordanleger abgesperrt hatte, wurde entfernt, und die Kommandozentrale der Heilsarmee zurückgegeben. Die Nissenhütten oben auf dem Hügel, das Behelfsquartier der amerikanischen Truppen, standen leer und verlassen, und man hörte keine Schüsse mehr vom Übungsgelände hinter den Klippen von Boscarben.
Das letzte, was dann noch von den militärischen Aktivitäten des langen Winters zeugte, war das Hauptquartier der Königlichen Marineinfanterie im alten White Caps Hotel. Die Flagge mit dem Erdkugel-und-Lorbeer-Symbol flatterte noch am Mast, auf dem Parkplatz standen Jeeps, am Tor wachte ein Posten, und Colonel Mellaby und sein Stab kamen und gingen. Ihre fortgesetzte Anwesenheit erinnerte an alles, was geschehen war - und machte es glaubwürdig.
Richard war fort. Penelope lernte, ohne ihn zu leben, weil sie keine andere Möglichkeit hatte. Sie konnten nicht sagen: »Ich kann es nicht ertragen«, denn wenn sie es nicht ertrug, bestand die einzige Rettung darin, die Welt anzuhalten und auszusteigen, und es gab offenbar keine praktikable Methode, das zu tun. Um die Leere auszufüllen und ihre Hände, ihre Gedanken zu beschäftigen, tat sie das, was Frauen in Zeiten großer innerer Belastungen und Sorgen seit Jahrhunderten getan haben: Sie stürzte sich in den Haushalt und in das Familienleben. Körperliche Tätigkeit war eine anstrengende, aber nützliche Therapie. Sie putzte das Haus vom Keller bis zum Dachboden, wusch Wolldecken, grub den Garten um. Es hinderte sie nicht daran, sich nach Richard zu sehnen, aber es verschaffte ihr wenigstens die Genugtuung, ein blitzblankes, sauber duftendes Haus und zwei Reihen frisch gepflanzter junger Kohlköpfe zu haben.
Außerdem verbrachte sie viel Zeit mit den Kindern. Sie lebten in einer einfacheren Welt und unterhielten sich nur über grundlegende und unkomplizierte Dinge, und ihre Gesellschaft war ein großer Trost. Die dreijährige Nancy war eine kleine Persönlichkeit geworden, einnehmend, zielbewußt und entschlossen, und ihre Bemerkungen und treffenden Beobachtungen verwunderten und amüsierten die Erwachsenen immer wieder aufs Neue. Clark und Ronald wuchsen zu großen Jungen heran, und sie fand ihre Argumente und Ansichten überraschend reif. Sie schenkte ihnen ihre ganze Aufmerksamkeit, half ihnen beim Muschelsammeln, lauschte ihren Problemen und beantwortete ihre Fragen. Sie sah sie zum erstenmal
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