Die Muschelsucher
waren vielleicht die Abende. Die Vorhänge waren zugezogen, und im Kamin prasselte das Feuer, sie hörten Musik, schlossen Bekanntschaft mit Helena Bradburys Schallplattensammlung, und standen abwechselnd auf, um die Nadel zu wechseln und das alte Holzgrammophon aufzuziehen. Wenn sie gebadet und sich umgezogen hatten, aßen sie am Feuer, an einem niedrigen Tisch, den sie zum Kamin geschoben und mit Kristall und Silber gedeckt hatten, und sie aßen, was Mrs. Brick ihnen gebracht hatte, und tranken dazu eine Flasche Wein, denn Richard zögerte nicht, die Instruktionen der Hausherrin zu befolgen. Der Wind, der nachts meist vom Land herkam, drückte gegen die Fenster und ließ die Rahmen leise klappern, aber das konnte ihre Abgeschiedenheit, ihr seliges Alleinsein nur noch intensiver machen. Eines Abends hörten sie sehr spät die Sinfonie aus der Neuen Welt. Richard lag auf dem Sofa, und Penelope saß auf ein paar Kissen am Boden und lehnte den Kopf an seinen Oberschenkel. Das Feuer war zu einem glimmenden Aschehäufchen zusammengefallen, doch als die letzten Noten verklungen waren, rührten sie sich nicht, sondern blieben so, wie sie waren. Richards Hand lag auf ihrer Schulter, und sie war in ihren Träumen verloren. Schließlich räusperte er sich und brach den Zauber. »Penelope.«
»Ja.«
»Wir müssen miteinander reden.« Sie lächelte. »Wir tun seit Tagen nichts anderes.«
»Über die Zukunft.«
»Welche Zukunft?«
»Unsere Zukunft?«
»O Richard.«
»Nicht. Mach nicht so ein ängstliches Gesicht. Hör einfach zu. Es ist nämlich sehr wichtig. Verstehst du, ich möchte dich irgendwann heiraten. Ich kann mir keine Zukunft ohne dich vorstellen, und ich glaube, das bedeutet, daß wir heiraten sollten.«
»Ich habe schon einen Mann.«
»Ich weiß, Liebling. Ich weiß es nur zu gut, aber ich möchte dich trotzdem fragen. Willst du mich heiraten?«
Sie wandte sich ihm zu, nahm seine Hand und legte sie an ihre Wange. Sie sagte: »Wir dürfen das Schicksal nicht herausfordern.«
»Du liebst Ambrose nicht.«
»Ich möchte nicht darüber reden. Ich möchte nicht über Ambrose reden. Er gehört nicht hierher. Ich möchte nicht einmal seinen Namen aussprechen.«
»Ich liebe dich mehr, als man mit Worten ausdrücken kann.«
»Ich dich auch, Richard. Ich liebe dich. Das weißt du. Und ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als deine Frau zu sein und zu wissen, daß uns niemals etwas trennen kann. Aber nicht jetzt. Laß uns jetzt nicht darüber reden.«
Er schwieg eine lange Weile. Dann seufzte er. »Na gut«, sagte er. Er beugte sich zu ihr und küßte sie. » Gehen wir schlafen.«
Der letzte Tag war strahlend blau und warm, und um seine Pflicht zu tun und sich für die Gastfreundschaft zu revanchieren, holte Richard den Rasenmäher aus der Garage und mähte die Rasenflächen. Es dauerte lange, und Penelope half ihm, indem sie das Gras mit der Schubkarre zu dem Komposthaufen hinter dem Stall brachte und sämtliche Kanten mit einer Rasenschere stutzte. Sie waren erst um vier Uhr nachmittags fertig, aber der Anblick der samtenen, in zwei verschiedenen Grüntönen gestreiften Flächen, die sich zum Wasser hin neigten, tröstete sie über die Mühe hinweg und war enorm befriedigend. Als sie den Mäher gereinigt und geölt und in den Schuppen zurückgebracht hatten, verkündete Richard, seine Kehle sei wie ausgedörrt, und er werde Tee machen, so daß Penelope wieder vors Haus ging und sich auf den frisch gemähten Rasen setzte und darauf wartete.
Das Gras verströmte einen herrlichen Duft. Sie legte sich hin, stützte sich auf einen Ellbogen und beobachtete ein Paar Dreizehenmöwen, die eben auf dem Ende des Bootsstegs gelandet waren, und staunte über die beiden zierlichen Geschöpfe, die so viel kleiner und hübscher waren als die Silbermöwen im Norden. Ihre Hand fuhr über das Gras, streichelte es, wie wenn man das weiche Fell einer Katze streichelt. Ihre Finger kamen zu einem Löwenzahn, den der Rasenmäher verfehlt hatte. Sie zupfte daran, zog an den Blättern, um ihn samt der Wurzel herauszuziehen, aber die Wurzel war widerspenstig, wie alle Löwenzahnwurzeln, und riß entzwei, und sie hatte nur die Pflanze und die Hälfte der Wurzel in der Hand. Sie betrachtete sie und nahm ihren bitteren Geruch wahr und den feuchten Geruch der Erde, die daran haftete.
Schritte auf der Terrasse. »Richard?« Er kam mit dem Tee, zwei Bechern auf einem Tablett. Er ging neben ihr in die Hocke. Sie sagte: »Ich habe
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