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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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eine traurige Nachricht, aber ich hoffe, sie nimmt dich nicht zu sehr mit. « Sie fand vor seinen Augen wieder zu ihrer alten nüchternen und praktischen Haltung zurück. Die Bekundungen von Liebe und Zärtlichkeit waren fürs erste vorbei. Sie steckte das Taschentuch in den Ärmel zurück, schob ihn sanft zur Seite und ging zu der Truhe, wo das Telefon stand, um den Notizblock zu nehmen, der neben dem Apparat lag. Sie blätterte die oberen Seiten durch.
    »Da ist es. Von einer gewissen Antonia Hamilton. Du liest es besser selbst.«
    Antonia.
    Er nahm den Block, sah die mit Bleistift geschriebene Notiz, die schwungvolle Handschrift von Mrs. Cooper.
    Anruf von Antonia Hamilton, Donnerstag, vier Uhr, für Mr. Danus M. Sie läßt ausrichten, Mrs. Keeling ist Dienstag gestorben. Die Beerdigung ist Sonnabend nachmittag um drei in Temple Pudley. Sie meint, Sie möchten vielleicht gern hin. Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden. L. Cooper.
    Die Familie versammelte sich zur Beerdigung ihrer Mutter. Die Chamberlains trafen als erste ein. Nancy in ihrem eigenen Wagen und George in seinem behäbigen alten Rover. Nancy trug einen marineblauen Mantel, einen Rock von derselben Farbe und einen überraschend häßlichen Filzhut, dessen Krempe vorn weit vorstand. Sie sah gefaßt und tapfer drein.
    Olivia, die ein strenges dunkelgraues Jean-Muir-Kostüm angezogen hatte, das ihr etwas Unnahbares gab, begrüßte sie beide mit einem Kuß auf die Wange. Bei George hatte sie das Gefühl, einen spitzen Knöchel zu küssen; er roch nach Mottenkugeln und Desinfektionsmittel, wie ein Zahnarzt. Sie führte die beiden, als wären sie Fremde und zum erstenmal hier, in das geheizte und blumengeschmückte Wohnzimmer. Und sie machte, als wären sie wirklich Fremde, Konversation und entschuldigte sich unwillkürlich. »Es tut mir leid, daß ich euch nicht zum Mittagessen einladen konnte. Aber wie ihr sicher gesehen habt, hat Mrs. Plackett im Eßzimmer schon zum Tee gedeckt und alles mit Stühlen vollgestellt, und Antonia und ich haben den ganzen Morgen Sandwiches gemacht. Wir haben schnell ein paar Schinkenreste gegessen.«
    »Ich bitte dich. Wir haben unterwegs in einem Pub eine Kleinigkeit gegessen.« Nancy setzte sich mit einem Seufzer der Erleichterung in Mamas Sessel. »Mrs. Croftway hat heute frei, und wir haben die Kinder bei Freunden im Dorf gelassen. Melanie war in Tränen aufgelöst. Der Tod ihrer Großmutter nimmt sie schrecklich mit. Das arme Kind, es ist ihre erste Erfahrung mit dem Tod. Gleichsam von Angesicht zu Angesicht.« Olivia fiel darauf nichts ein. Nancy zog ihre schwarzen Handschuhe aus. »Wo ist Antonia?«
    »Oben. Sie zieht sich um.«
    George blickte auf seine Uhr. »Sie sollte sich besser beeilen. Es ist schon fünf nach halb drei.«
    »George, es dauert genau fünf Minuten, von hier bis zur Kirche zu gehen.«
    »Mag sein. Aber wir wollen doch nicht im letzten Augenblick hineinstürzen. Das würde einen unmöglichen Eindruck machen.«
    »Und Mutter?« fragte Nancy mit gedämpfter Stimme. »Wo ist Mutter?«
    »Sie ist schon in der Kirche und wartet auf uns«, erwiderte Olivia rasch. »Mr. Bedway hat einen Trauerzug mit uns allen vom Haus bis zur Kirche vorgeschlagen, aber mir war der Gedanke irgendwie zuwider. Ich hoffe, es war in eurem Sinn.«
    »Und wann kommt Noel?«
    »Ich hoffe, er wird gleich hier sein. Er kommt mit dem Auto aus London.«
    »Sonnabends ist immer sehr viel Verkehr«, erklärte George. »Er wird wahrscheinlich zu spät kommen.«
    Seine düstere Prophezeiung trat jedoch nicht ein, denn fünf Minuten später verkündeten vertraute Geräusche, daß ihr Bruder kam: der aufheulende Motor des Jaguars, der knirschende Kies, der Knall der zugeschlagenen Wagentür. Kurz darauf trat er zu ihnen ins Zimmer, in einem teuren Maßanzug, den er sicher in Hinblick auf opulente Arbeitsessen hatte anfertigen lassen. Er wirkte viel zu elegant für die schlichte ländliche Beerdigung. Aber er war jedenfalls da. Nancy und George blieben sitzen und betrachteten ihn, während Olivia aufstand und ihm entgegenging, um ihn mit einem Kuß zu begrüßen. Er duftete nach Eau Sauvage, nicht nach Desinfektionsmitteln, und sie war dankbar dafür. »Wie war die Fahrt?«
    »Ganz gut, trotz des verdammten Verkehrs. Hallo, Nancy. Guten Tag, George. Olivia, wer ist der alte Knabe in dem dunkelblauen Anzug, der in der Garage steht wie bestellt und nicht abgeholt?«
    »Oh, das wird Mr. Plackett sein. Er wollte kommen und das Haus

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