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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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der sich auf das größte Geschenk seines Lebens freut, und Danus wurde sich bewußt, daß er nicht das Herz hatte, es ihm zu rauben. Er griente und gab nach. »Okay.«
    Am nächsten Tag brachen sie in aller Frühe nach Süden auf. Der Rücksitz von Roddys Wagen war mit Taschen, Angelruten, Haken und hohen Stiefeln vollgepackt, und obenauf lagen die Körbe mit den beiden ansehnlichen Lachsen, die sie am Nachmittag zuvor geangelt hatten. Der Entschluß, noch einen Tag zu bleiben, hatte sich nämlich gelohnt. Die winzige Kate, die sie vorhin aufgeräumt und zugesperrt hatten, verschwand hinter den Hügeln, und vor ihnen lag die lange schmale Straße, die sich durch das weite, abweisende Hochmoor von Sutherland wand. Es hatte aufgehört zu regnen, doch am Himmel hingen noch wäßrige Wolken, deren Schatten über Sumpflöcher und Heidekraut dahinzogen. Als sie das Moor endlich hinter sich hatten, fuhren sie hinunter nach Lairg, überquerten den Fluß auf der Bonar-Brücke und fuhren um das tiefblaue Wasser des Dornoch Firth. Dann ging es hinauf zu den steilen Hängen von Struie und weiter zur Black Isle. Nun war die Straße breit und gerade, und sie konnten schneller fahren. Alte Wahrzeichen näherten sich und flogen vorbei. Inverness, Culloden, Carrbridge, Avienore, und bei Dalwhinnie bog die Straße südwärts und kletterte durch die unwirtlichen Hügel von Glengarrie die Cairngorms hinauf. Um elf Uhr waren sie an Perth vorbeigefahren und befanden sich auf der Schnellstraße, die Fife wie ein Skalpell durchschneidet, und vor ihnen glitzerten die beiden Brücken über den Firth of Forth in der strahlenden Morgensonne und sahen aus wie aus Silberdraht geflochten. Sie fuhren über den Fluß und waren auf der Zufahrtsstraße nach Edinburgh. Die Türme der Stadt und das hoch aufragende Schloß, vor dem die aufgezogene Fahne flatterte, bildeten aus der Ferne eine majestätische Silhouette, so zeitlos und unveränderlich wie ein alter Stich.
    Die Schnellstraße war zu Ende. Sie bremsten auf sechzig, dann auf vierzig Stundenkilometer ab. Der Verkehr wurde dichter. Sie passierten Häuser, Geschäfte und hielten an Ampeln. Auf der ganzen Fahrt hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Nun brach Roddy das Schweigen.
    »Es war großartig«, sagte er. »Wir müssen das irgendwann wiederholen.«
    »Ja. Irgendwann. Ich kann dir nicht genug danken.« Roddy tippte mit den Fingernägeln ein Muster in den Lenkradbezug. »Wie fühlst du dich?«
    »In Ordnung.«
    »Besorgt?«
    »Eigentlich nicht. Auf alles gefaßt. Wenn ich den Rest meines Lebens mit dieser Sache leben muß, dann muß ich es eben.«
    »Man kann nie wissen.« Die Ampel sprang auf Grün. Der Wagen fuhr wieder an. »Vielleicht ist es eine gute Nachricht.«
    »Ich rechne lieber nicht damit. Ich erwarte lieber das Schlimmste und bereite mich darauf vor, damit fertig zu werden.«
    »Was immer es ist. Ich meine, was immer sie herausgefunden haben, du wirst dich nicht davon unterkriegen lassen, nicht wahr? Ich meine, wenn die Diagnose negativ ausfällt, behalt es nicht für dich. Wenn du niemanden hast, mit dem du reden kannst, ruf mich an, und wir treffen uns irgendwo und sprechen darüber, ja?«
    »Machst du gern Krankenhausbesuche?«
    »Und wie, alter Junge. Ich stehe auf hübsche junge Schwestern. Ich bring dir Weintrauben mit und esse sie dann alle selbst.« Die Queensferry Road, die Dean-Brücke. Sie waren jetzt auf den breiten, von wohlhabend wirkenden Häusern gesäumten Straßen der Neustadt. Die frisch gesäuberten, in Sonne getauchten Steinmauern schimmerten in einem warmen Honigton, die Bäume auf dem Moray Place waren mit hellgrünen Blättern geschmückt, und die wilden Kirschen blühten.
    Die Heriot Row. Das hohe, schmale Haus, das sein Heim war. Roddy fuhr an den Bordstein und hielt. Sie stiegen aus, entluden Danus’ Habseligkeiten, auch den Korb mit seinem kostbaren Fisch, und legten alles auf die Eingangstreppe.
    Als sie fertig waren, sagte Roddy: »Das war’s dann wohl«, aber er zögerte noch, als wollte er seinen Freund nicht gern alleinlassen. »Möchtest du, daß ich mit reinkomme?«
    »Nein«, sagte Danus. »Es ist alles okay.«
    »Ruf mich heute abend zu Hause an.«
    »Mach ich.«
    Roddy klopfte Danus freundschaftlich auf die Schulter. »Dann auf bald, alter Junge.«
    »Es war großartig, Roddy.«
    »Und viel Glück.«
    Er stieg wieder ins Auto und fuhr fort. Danus schaute ihm kurz nach, griff dann in die Tasche, holte den Schlüssel heraus und öffnete die

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