Die Muschelsucher
hüten, während wir in der Kirche sind.«
Noel zog die Augenbrauen hoch. »Rechnest du mit Einbrechern?«
»Nein, aber das ist hier so üblich. Mrs. Plackett hat darauf bestanden. Entweder es bringt Unglück, oder es gehört sich nicht, wenn niemand im Haus eines Verstorbenen bleibt, während er beerdigt wird. Also hat sie ihren Mann gebeten zu kommen, und außerdem wird er darauf achten, daß der Herd nicht ausgeht, und Wasser aufsetzen und all das.«
»Sehr gut organisiert.«
George blickte abermals auf die Uhr. Er wurde nervös. »Ich finde, wir sollten jetzt wirklich gehen. Komm, Nancy.« Nancy stand auf und trat zu dem Spiegel über Penelopes Sekretär, um sich zu vergewissern, daß sie ihren schrecklichen Hut richtig auf hatte. Sie rückte ihn zurecht und zog ihre Handschuhe an. »Was ist mit Antonia?«
»Ich werde sie rufen«, sagte Olivia, aber Antonia war schon heruntergekommen und wartete in der Küche auf sie. Sie saß auf dem frisch gescheuerten Tisch und unterhielt sich mit Mr. Plackett, der hereingekommen war, um seinen Dienst als Hüter des Hauses anzutreten. Als sie in den Raum traten, rutschte sie herunter und lächelte höflich. Sie trug einen marineblau und weiß gestreiften Baumwollrock und eine weiße Bluse mit einem Rüschenkragen, über die sie eine dunkelblaue Strickjacke gezogen hatte. Ihr schimmerndes Haar war mit einer dunkelblauen Schleife zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie wirkte so jung wie ein Schulmädchen, und ebenso verschüchtert, und sie war beängstigend blaß. »Alles in Ordnung?« fragte Olivia sie. »Ja, natürlich.«
»George sagt, es ist Zeit, daß wir gehen.«
»Ich bin soweit.«
Olivia ging ihnen voran auf die Terrasse und trat dann in den bleichen, klaren Sonnenschein hinaus. Der Rest der kleinen, ernst blickenden Gruppe folgte. Als sie den Kiesweg betraten, fing die Kirchenglocke an zu läuten. Die feierlichen, gemessenen Schläge hallten über die stille Landschaft, und Krähen flatterten erschrocken aus den Baumwipfeln und krächzten entrüstet. Sie läuten die Glocke für Mama, sagte Olivia sich, und auf einmal war alles wieder von eisiger Realität. Sie blieb stehen und wartete, bis Nancy sie eingeholt hatte, um neben ihr weiterzugehen. Dabei wandte sie sich kurz um und erblickte Antonia, die plötzlich wie angewurzelt innehielt. Sie war schon vorher sehr blaß gewesen, aber nun war sie weiß wie ein Laken. »Antonia, was ist?«
Antonia schien in Panik zu sein. »Ich. ich habe etwas vergessen. «
»Was denn?«
»Ich. äh. mein Taschentuch. Ich habe kein Taschentuch mit. Ich muß eins haben. Es dauert nur einen Moment. Wartet bitte nicht auf mich. Geht bitte weiter. Ich hol euch gleich wieder ein.« Und sie rannte zurück ins Haus. Nancy sagte: »Sonderbar. Ist alles in Ordnung?«
»Ich denke, ja. Aber sie ist ganz außer Fassung. Vielleicht sollte ich auf sie warten.«
»Das kannst du nicht«, sagte George befehlend. »Die Zeit reicht nicht. Wir werden zu spät kommen. Antonia schafft es schon allein. Wir halten ihr einen Platz frei. Los, komm, Olivia.« Während sie dort standen und zögerten, geschah noch etwas. Ein Auto raste mit überhöhter Geschwindigkeit die Dorfstraße entlang, bog beim Pub um die Ecke, wurde langsamer und hielt nur wenige Schritte von ihnen entfernt am offenen Tor von Podmore’s Thatch. Es war ein dunkelgrüner Ford Escort, den keiner von ihnen kannte. Sie sahen überrascht zu, wie der Fahrer ausstieg und die Tür zuschlug. Ein junger Mann, ebenso unbekannt wie das Auto. Ein Mann, den Olivia noch nie gesehen hatte.
Er stand da. Alle starrten ihn an, und niemand sagte ein Wort, bis schließlich er das Schweigen brach. Er sagte: »Es tut mir leid, daß ich so spät und so überstürzt komme. Es war ein ziemlich weiter Weg.« Er blickte Olivia an und sah ihr vollkommen verwirrtes Gesicht. Er lächelte. »Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Sie sind sicher Olivia. Ich bin Danus Muirfield.«
Aber natürlich. So groß wie Noel, aber kräftiger, mit breiten Schultern und sonnengebräunten Zügen. Ein sehr gut aussehender junger Mann, und Olivia brauchte nur einen Moment, um zu ahnen, warum Mama ihn so lieb gewonnen hatte. Danus Muirfield. Wer sonst?
»Ich dachte, Sie seien in Schottland«, war alles, was ihr zu sagen einfiel.
»Ja, das war ich auch. Bis gestern. Ich habe erst gestern erfahren, daß Mrs. Keeling. von uns gegangen ist. Es tut mir so furchtbar leid.«
»Wir gehen gerade zur Kirche. Wenn Sie.« Er
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