Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
unterbrach sie. »Wo ist Antonia?«
    »Sie ist noch einmal ins Haus gegangen. Sie hat etwas vergessen. Sie kommt bestimmt gleich. Wenn Sie warten möchten, Mr. Plackett ist in der Küche.«
    George, der inzwischen am Ende seiner Geduld angelangt war, konnte nicht länger still bleiben. »Olivia, wir haben keine Zeit, hier herumzustehen und zu reden. Und es kommt nicht in Frage, daß wir warten. Wir müssen gehen. Sofort. Und der junge Mann kann Antonia holen und dafür sorgen, daß sie nicht zu spät kommt. Los, wir müssen weiter. « Er begann, sie vor sich her zu treiben wie Schafe.
    »Wo finde ich Antonia?« fragte Danus rasch.
    »Ich nehme an, sie ist in ihrem Zimmer«, rief Olivia über die Schulter zurück. »Wir werden Plätze für Sie beide freihalten.«
    Als er die Küche betrat, saß Mr. Plackett seelenruhig am Tisch und las in seiner Racing News. »Mr. Plackett, wo ist Antonia?«
    »Sie ist nach oben gelaufen. Soviel ich sehen konnte, hat sie geweint. «
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich hinaufgehe und sie hole?«
    »Warum sollte ich?« sagte Mr. Plackett.
    Danus drehte sich um und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die schmale Treppe hoch. Da er sich oben nicht auskannte, öffnete er auf gut Glück Türen und fand ein Bad und eine Besenkammer.
    »Antonia!« Am Ende des kleinen Flurs war eine Tür, die in ein Schlafzimmer führte, das offensichtlich benutzt wurde, aber es war niemand darin. Am anderen Ende des Zimmers gab es eine weitere Tür, die zur anderen Hälfte des Hauses ging. Er riß sie auf, ohne zu klopfen, und dort fand er sie endlich. Sie saß verzweifelt auf dem Bett und schluchzte herzzerreißend.
    Er war so erleichtert, daß ihm ein wenig schwindelte. »Antonia!« Mit zwei Schritten war er bei ihr, setzte sich neben sie, nahm sie in die Arme, drückte ihren Kopf an seine Schulter, küßte sie aufs Haar, auf die Stirn, auf die verweinten Augen. Ihre Tränen schmeckten salzig, und ihre Wangen waren ganz naß, aber wichtig war nur, daß er sie gefunden hatte und sie hielt und sie mehr liebte als irgendein menschliches Wesen auf der Welt und sich nie, nie wieder von ihr trennen würde.
    »Hast du mich nicht rufen hören?« fragte er endlich. »Doch, aber ich glaubte, ich bildete es mir ein. Ich konnte nur noch dieses schreckliche Glockengeläut hören. Es war alles in Ordnung, bis die Glocke anfing, und da. da wußte ich auf einmal, daß ich es nicht verkraften würde. Ich konnte nicht mitgehen. Sie fehlt mir so sehr. Ohne sie ist alles so furchtbar. O Danus, sie ist tot, und ich habe sie so lieb gehabt. Ich habe solche Sehnsucht nach ihr. Ich möchte, daß sie immer da ist.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß.«
    Sie fuhr fort, an seiner Schulter zu schluchzen. »Es war alles so schrecklich. Seit du weggefahren bist. So furchtbar. Ich hatte niemanden.«
    »Es tut mir leid.«
    »Und ich habe so oft an dich gedacht. Die ganze Zeit. Ich habe gehört, wie du mich eben gerufen hast, aber ich konnte es nicht glauben. Ich hörte nur diese furchtbare Glocke, und ich dachte, ich bildete es mir ein. Ich habe mir so sehr gewünscht, daß du da wärst.«
    Er sagte nichts. Sie weinte weiter, aber das Schluchzen wurde sanfter, und der heftigste Kummer schien überstanden. Nach einer Weile ließ er sie los, und sie rückte ein kleines Stück von ihm ab und sah zu ihm hoch. Eine Locke fiel ihr in die Stirn, er strich sie liebevoll zurück, dann holte er sein Taschentuch heraus und gab es ihr. Er sah zärtlich zu, wie sie sich die Augen trocken wischte und sich dann geräuschvoll, wie ein Kind, die Nase putzte. »O Danus, wo warst du denn? Was ist passiert? Warum hast du nicht angerufen?«
    »Wir sind erst gestern mittag nach Edinburgh zurückgekommen. Vorgestern war zum erstenmal richtiges Angelwetter, und ich brachte es nicht über mich, Roddy den Spaß zu verderben. Als ich nach Haus kam, hat meine Mutter mir die Nachricht von dir gegeben. Aber jedesmal, wenn ich angerufen habe, war besetzt.«
    »Das Telefon klingelt in einem fort.«
    »Zuletzt habe ich mir gesagt, jetzt reicht es aber, hab einfach den Wagen meiner Mutter genommen und bin losgefahren.«
    »Du bist gefahren«, wiederholte sie. Es dauerte ein oder zwei Sekunden, bis sie die Bedeutung erfaßte. »Du bist gefahren? Selbst?«
    »Ja. Ich kann wieder fahren. Und ich kann so viel trinken, wie ich will, bis zum Umfallen. Es ist alles in Ordnung. Ich bin kein Epileptiker, und ich war nie einer. Es fing alles mit einer falschen Diagnose

Weitere Kostenlose Bücher