Die Muschelsucher
Wanne zu steigen, und er ging in sein Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Dann öffnete er die andere Tür, trat in den Korridor hinaus, schritt leise zur Treppe und ging in die Halle hinunter. Seine Schritte machten auf den dicken Teppichen kein Geräusch. Unten an der Treppe blieb er stehen und zögerte. Es war niemand zu sehen, doch aus dem hinteren Teil des Hauses drangen Stimmen und angenehme Küchengeräusche, und er nahm einen köstlichen Geruch von Essen wahr. All das konnte ihn jedoch nicht ablenken, denn er hatte im Moment nur einen Gedanken. Er mußte ein Telefon finden.
Er entdeckte eines fast unmittelbar darauf, in der verglasten Nische unter der Treppe. Er ging hinein, machte die Tür hinter sich zu, nahm den Hörer ab und wählte eine Londoner Nummer. Schon nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben. »Mundy.«
»Edwin, ich bin’s, Noel Keeling.«
»Noel. Lange nicht gesehen.« Seine Stimme war rauh und affektiert, und man hörte immer noch den Cockney-Akzent heraus, den zu unterdrücken er sich seit Jahren bemühte. »Wie läuft’s?«
»Sehr gut. Hör zu, ich hab nicht viel Zeit. Ich bin auf dem Land. Ich wollte dich nur etwas fragen.«
»Frag schon, alter Junge.«
»Es geht um Lawrence Stern. Du weißt Bescheid?«
»Klar.«
»Weißt du, ob jemals eine von den Ölskizzen auf den Markt gekommen ist, die er von seinen wichtigen Bildern gemacht hat?« Eine Pause. Dann sagte Edwin vorsichtig: »Eine interessante Frage. Warum? Hast du welche?«
»Nein. Ich weiß nicht mal, ob es welche gibt. Deshalb ruf ich dich an.«
»Ich habe nie gehört, daß bei den wichtigeren Auktionen jemals eine aufgetaucht ist. Aber es gibt natürlich überall im Land kleinere Händler.«
»Was würde.« Noel räusperte sich und fing noch einmal an. »Was würde so ein Ding bei den jetzigen Preisen bringen?«
»Kommt auf das Bild an. Wenn es eine Skizze für eines von den bedeutenden Werken ist, dürfte es so um die vier- oder fünftausend bringen. Aber das ist natürlich nur eine sehr überschlägige Schätzung. Ich kann es erst dann mit Sicherheit sagen, wenn ich es gesehen habe.«
»Ich sag dir doch, ich habe keine.«
»Warum rufst du dann an?«
»Mir ist eben klargeworden, daß es vielleicht noch welche von diesen Skizzen gibt, ohne daß einer von uns es weiß.«
»Du meinst, bei deiner Mutter?«
»Na ja, irgendwo müssen sie ja sein.«
»Wenn du sie finden könntest, würdest du doch alles weitere mir überlassen?« sagte Edwin so lässig und beiläufig, wie es ihm möglich war.
Aber Noel dachte nicht daran, sich so schnell festnageln zu lassen. »Zuerst muß ich sie mal haben«, sagte er, und dann, ehe Edwin noch etwas bemerken konnte: »Ich muß jetzt Schluß machen. Das Dinner ist in fünf Minuten, und ich bin noch nicht mal umgezogen. Vielen Dank für die Hilfe und entschuldige, wenn ich dich gestört habe.«
»Keine Ursache, alter Junge. Ich helf dir gern. Eine interessante Möglichkeit. Viel Glück bei der Suche.«
Er legte auf. Noel tat es auch, mit einer sehr langsamen Bewegung. Vier- oder fünftausend Pfund. Mehr, als er zu denken gewagt hatte. Er holte tief Luft, öffnete die Tür und trat in die Halle. Es war immer noch niemand da, und weil ihn kein Mensch gesehen hatte, war es auch nicht notwendig, Geld für das Gespräch neben den Apparat zu legen.
Im letzten Moment, als alles für das Dinner mit Hank Spotswood bereitstand, fiel Olivia ein, daß sie vergessen hatte, ihre Mutter anzurufen und ihr zu sagen, daß sie morgen gern nach Gloucestershire kommen und den Tag mit ihr verbringen würde. Das weiße Telefon stand neben dem Sofa, und sie setzte sich hin und fing an, die Nummer zu wählen, aber da hörte sie, wie ein Wagen langsam die Straße herunterkam und vor dem Haus hielt. Sie wußte instinktiv, daß es Hank war. Sie zögerte. Ihre Mutter liebte es, am Telefon von sich zu erzählen und nach Neuigkeiten zu fragen, und sie konnte ihr schlecht in drei Sekunden sagen, daß sie kommen würde, und dann Schluß machen. Sie hörte, wie die Pforte geöffnet wurde, und legte auf. Sie würde später anrufen. Penelope ging nie vor Mitternacht zu Bett.
Sie stand auf, strich das Kissen glatt, auf dem sie gesessen hatte, und blickte sich prüfend um. Alles war perfekt. Gedämpfte Beleuchtung, Gläser auf dem Bartisch, Eiswürfel im Kristallbehälter, leise, kaum hörbare Musik von der Hifi-Anlage. Sie drehte sich zu dem Spiegel über dem Kaminsims, fuhr sich über das Haar und schob den
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