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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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fort. Manchmal bleibe ich hier, schlafe aus, relaxe, lade abends ein paar Freunde auf einen Drink ein.«
    »Haben Sie sich für morgen etwas vorgenommen?«
    »Warum?«
    »Ich habe morgen keine Termine. Ich dachte, wir könnten vielleicht einen Leihwagen nehmen und irgendwohin fahren. Sie könnten mir ein paar von den berühmten Landsitzen zeigen, von denen man immerfort erzählt und die ich noch nie gesehen habe, weil die Zeit nicht gereicht hat. Oder weil ich nicht allein hinfahren wollte.«
    Sie hatten zu Ende gegessen, das Geschirr auf dem Tisch stehen gelassen, die Lampen in der Eßecke gelöscht. Sie waren mit Cognac und Kaffee zum Kamin zurückgegangen, aber nun saßen sie beide auf dem Sofa, jeder in einer Ecke, einander zugewandt. Olivias dunkles Haar ruhte auf einem rosa Kissen, und sie hatte die Beine wieder hochgezogen. Ein Lackpumps war ihr vom Fuß gerutscht und lag vor dem Sofa auf dem Teppich.
    Sie sagte: »Eigentlich wollte ich morgen zu meiner Mutter nach Gloucestershire.«
    »Sie erwartet Sie?«
    »Nein. Aber ich wollte sie anrufen, ehe ich zu Bett gehe.«
    »Müssen Sie hin?«
    Olivia dachte darüber nach. Sie hatte fahren wollen, hatte beschlossen zu fahren und hatte sich, nachdem sie den Entschluß gefaßt hatte, besser gefühlt. Aber jetzt.
    »Nein, ich muß nicht«, antwortete sie. »Aber sie ist krank gewesen, und ich habe sie lange nicht mehr besucht, und ich sollte zu ihr fahren.«
    »Wieviel gutes Zureden würde es kosten, damit Sie es sich anders überlegen?«
    Olivia lächelte. Sie trank noch einen Schluck von dem starken Kaffee und stellte die Mokkatasse sorgsam genau auf die Mitte der Untertasse zurück.
    »Wie stellen Sie sich dieses gute Zureden vor?«
    »Ich könnte Sie mit einem Viersterne-Essen locken. Oder mit einer Bootsfahrt. Oder einem Spaziergang auf dem Land.
    Was Sie am liebsten möchten.«
    Olivia dachte über die reizvollen Vorschläge nach. »Ich denke, ich könnte den Besuch bei meiner Mutter eine Woche verschieben. Da sie mich nicht erwartet, wird sie auch nicht enttäuscht sein.«
    »Dann machen wir es?«
    Sie faßte ihren Entschluß. »Ja, ich komme mit.«
    »Soll ich einen Wagen leihen?«
    »Ich habe ein Auto, das vollauf genügen wird.«
    »Wohin fahren wir?«
    Olivia zuckte die Achseln und stellte die Tasse samt Untertasse zurück. »Wohin Sie wollen. Zum New Forest oder die Themse hoch nach Henley. Wir könnten auch nach Kent fahren und uns den Park von Sissinghurst ansehen.«
    »Können wir es morgen entscheiden?«
    »Wenn Sie möchten.«
    »Wann sollen wir losfahren?«
    »Möglichst früh, denke ich. Dann werden wir vor dem schlimmsten Verkehr aus London raus sein.«
    »In diesem Fall sollte ich mich jetzt vielleicht beeilen, daß ich ins Hotel zurückkomme.«
    »Ja«, sagte Olivia. »Vielleicht.«
    Aber keiner von ihnen traf Anstalten aufzustehen. Sie saßen in ihren Sofaecken und sahen sich unverwandt an. Es war sehr still. Die Hifi-Anlage war stumm, da die Kassette schon lange abgespielt war, und draußen prasselte der Regen an die Scheiben. Ein Auto fuhr die Straße entlang, und die kleine Kutschenuhr auf dem Kaminsims tickte leise und monoton. Es war kurz vor eins. Er rückte zu ihr, was sie gewußt hatte, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, so daß ihr Kopf nicht mehr auf dem rosa Kissen ruhte, sondern an seiner breiten und warmen Brust. Mit der anderen Hand strich er ihr das Haar von der Wange, legte dann die Finger unter ihr Kinn, um ihr Gesicht zu heben, und küßte sie auf den Mund. Seine Hand glitt ihren Hals hinunter und streichelte ihre kleinen Brüste. Zuletzt sagte er: »Das wollte ich den ganzen Abend über tun.«
    »Ich glaube, ich habe mir gewünscht, daß du es tust.«
    »Wenn wir morgen früh los wollen, wäre es doch dumm, wenn ich jetzt den ganzen Weg zum Ritz zurückfahre, um ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, und dann wieder hierher käme?«
    »Furchtbar dumm.«
    »Darf ich bleiben?«
    »Warum nicht?«
    Er rutschte ein kleines Stück weiter und blickte mit einer sonderbaren Mischung von Verlangen und Ironie auf sie hinunter. »Es gibt nur einen Haken«, erklärte er. »Ich habe keinen Rasierapparat und keine Zahnbürste dabei.«
    »Ich habe beides. Ganz neu. Für Notfälle.« Er fing an zu lachen. »Du bist eine erstaunliche Frau«, sagte er. »Das habe ich schon mal irgendwo gehört.«
    Olivia wachte wie immer früh auf. Halb acht. Die Vorhänge waren zugezogen, aber nicht ganz, und durch den Spalt drang frische und

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