Die Muschelsucher
und dann wieder in sie einmündete. Er hielt vor der Freitreppe. Er stellte den Motor ab, sie stiegen aus dem Wagen und holten ihr Gepäck aus dem Kofferraum und gingen die Stufen zur geschlossenen Eingangstür hoch. Amabel fand einen schmiedeeisernen Klingelring und zog einmal daran, aber dann sagte sie: »Wir brauchen nicht zu warten«, und machte selbst auf.
Sie traten in eine plattenbelegte Vorhalle mit einer verglasten Doppeltür, die zur Halle führte. Die Lampen brannten, und Noel sah, daß die Halle sehr groß und holzgetäfelt war, und er konnte auch eine eindrucksvolle Treppe sehen, die zum ersten Stock führte. Während sie dort standen und noch zögerten, wurde eine Tür am anderen Ende der Halle geöffnet und eine Frau erschien, erblickte sie und eilte auf sie zu, um sie hereinzulassen. Sie war korpulent und weißhaarig und trug eine geblümte Schürze über ihrem türkisgrünen Courtelle-Kleid. Die Frau des Gärtners, befand Noel, die das Wochenende über im Haus aushilft.
Sie öffnete die Tür. »Guten Abend. Kommen Sie bitte herein. Mr. Keeling und Miss Remington-Luard? Sehr gut. Mrs. Early ist gerade nach oben gegangen und nimmt ein Bad, und Camilla und der Colonel sind im Pferdestall, aber Mrs. Early hat mich gebeten, auf Sie zu warten und Ihnen Ihre Zimmer zu zeigen. Das ist alles, was Sie an Gepäck haben, ja? Was für ein schreckliches Wetter. War die Fahrt sehr schlimm? Der Regen ist wirklich furchtbar, nicht wahr?« Sie waren nun in der Halle. In dem marmorgefaßten Kamin brannte ein Feuer, und es war behaglich warm. Die Frau des Gärtners schloß die Tür. »Wenn Sie mir bitte folgen würden? Können Sie allein mit dem Gepäck fertig werden?« Sie konnten. Amabel, die immer noch in den alten Mantel gehüllt war, trug die Einkaufstasche mit den Stulpenstiefeln, und Noel nahm die andere Einkaufstasche und seine Reisetasche. So beladen, folgten sie der korpulenten Dame die Treppe hinauf.
»Die anderen Freunde von Camilla sind schon zum Tee gekommen, aber sie sind jetzt oben in ihren Zimmern und ziehen sich um. Ich soll Ihnen von Mrs. Early ausrichten, daß das Dinner um acht Uhr ist, aber wenn Sie schon um Viertel vor acht unten sein könnten. Es gibt Drinks in der Bibliothek, und Sie können die anderen Gäste kennenlernen.«
Am Ende der Treppe war ein Türbogen, hinter dem ein Korridor zum rückwärtigen Teil des Hauses führte. Der Korridor war mit einem scharlachroten Teppich belegt, die Wände mit Jagdstichen dekoriert, und Noel registrierte den angenehmen Geruch gepflegter Landhäuser, einen Duft von frisch gebügeltem Leinen, Möbelpolitur und Lavendel.
»Das hier ist Ihr Zimmer, meine Liebe.« Sie öffnete eine Tür und trat zur Seite, damit Amabel hineingehen konnte. »Und Sie, Mr. Keeling, schlafen gleich hier. und zwischen den beiden Zimmern ist ein Bad. Ich hoffe, Sie finden alles, was Sie brauchen, aber wenn Sie noch etwas benötigen sollten, sagen Sie bitte Bescheid.«
»Vielen Dank.«
»Und ich werde Mrs. Early sagen, daß Sie gegen Viertel vor acht herunterkommen.«
Sie lächelte liebenswürdig und entfernte sich, nachdem sie die Tür zugemacht hatte. Noel, der nun in seinem Zimmer allein war, stellte seine Tasche hin und blickte sich um. Er hatte viele Jahre lang zahllose Wochenenden in fremden Häusern verbracht und dabei einen Scharfblick entwickelt, der ihm schon kurz nach Betreten eines unbekannten Hauses erlaubte, das Potential der vor ihm liegenden Tage zu beurteilen und sie nach seinem individuellen Punktesystem vorab zu benoten.
Ein Stern war die schlechteste Bewertung, die gewöhnlich einem feuchten kleinen Haus vorbehalten war, wo es zog und wo es keine anständigen Betten und kein genießbares Essen und nur Bier zu trinken gab. Die anderen Gäste waren oft langweilige Verwandte der Besitzer mit lauten und frechen Kindern. Wenn Noel an eine solche Adresse geriet, fiel ihm häufig eine unvorhergesehene und unaufschiebbare Verpflichtung ein, und er fuhr Sonntagmorgen nach dem Frühstück nach London zurück. Zwei Sterne waren oft die Häuser junger Army-Offiziere in Surrey, wo die Gesellschaft aus sportlichen Mädchen und Kadetten aus Sandhurst bestand. Dort spielte man tagsüber auf schlechten Rasenplätzen Tennis, und die Krönung des Tages war ein Besuch im Dorfpub. Drei Sterne waren große, unprätentiöse Landhäuser mit lodernden Scheiten im Kamin, mit vielen Hunden, Pferden im Stall und fast immer ausgezeichneten Weinen. Vier Sterne war die Spitze, die
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