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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Kragen ihrer cremefarbenen, seidenen Chanel-Bluse zurecht. Sie hatte Ohrstecker mit Perlen gewählt, und auch ihr Make-up hatte einen matten Perlmuttschimmer, während sie tagsüber einen leuchtenden Ton und Kontraste bevorzugte. Schritte auf den Eingangsstufen. Es läutete. Sie ging ohne Eile zur Tür und machte auf.
    »Guten Abend.«
    Er stand im Regen an der Schwelle. Ein attraktiver Mann mit markanten Zügen, Ende vierzig, mit einem Blumenstrauß in der Hand. Wahrscheinlich langstielige Rosen. »Hi.«
    »Kommen Sie herein. Ein schreckliches Wetter. Aber der Fahrer hat den Weg gefunden?«
    »Ja, auf Anhieb.« Er trat in die Diele, sie machte die Tür zu, und er überreichte ihr die Blumen.
    »Hoffentlich gefallen sie Ihnen.« Er lächelte. Sie hatte ganz vergessen, wie anziehend sein Lächeln war und was für ebenmäßige, wunderbar weiße Zähne er hatte.
    »Oh, sie sind sehr schön.« Sie nahm sie und roch unwillkürlich daran, aber sie waren in irgendeinem Treibhaus gezogen worden, ohne Sonne, ohne natürliches Licht, und dufteten überhaupt nicht. »Vielen Dank, das ist sehr aufmerksam von Ihnen. Legen Sie ab und schenken Sie sich einen Drink ein, ich stelle sie inzwischen ins Wasser. «
    Sie ging in die offene Küche, nahm eine Vase aus dem Schrank, füllte sie mit Wasser und stellte die Rosen einfach hinein, ohne sich die Mühe zu machen, sie zu arrangieren. Sie sahen trotzdem ausgezeichnet aus, sehr elegant, wie langstielige Rosen es an sich haben. Sie kehrte mit den Blumen ins Wohnzimmer zurück und gab ihnen den Ehrenplatz auf ihrem Nußbaumsekretär. Die tiefroten Blüten hoben sich wie große Blutstropfen von der weißen Wand ab. Sie drehte sich zu ihm um. »Wirklich sehr aufmerksam. Haben Sie das richtige gefunden?«
    Er hatte. »Ich habe mir einen Scotch eingeschenkt. Ich hoffe, das ist okay.« Er stellte sein Glas hin. »Was möchten Sie?«
    »Das gleiche. Mit Wasser und Eis, bitte.«
    Sie setzte sich in die Sofaecke, zog die Beine hoch und sah zu, wie er mit Flaschen und Gläsern hantierte. Als er ihr den Drink brachte, streckte sie die Hand aus und nahm ihn, und dann holte er sein Glas und setzte sich in den Sessel rechts vom Kamin. Er hob das Glas. »Cheers.«
    »Prost«, sagte Olivia.
    Sie tranken. Sie fingen an, sich zu unterhalten. Es war alles ganz locker und zwanglos. Er bewunderte ihr Haus, interessierte sich für die Bilder, fragte nach ihrer Arbeit und wollte wissen, woher sie die Ridgeways kannte, auf deren Party sie sich vorgestern abend kennengelernt hatten. Und dann brauchte sie nicht lange zu fragen, um etwas über ihn zu erfahren. Er arbeitete in der Teppichindustrie und besuchte gerade die Internationale Bodenbelagsmesse. Er wohnte im Ritz. Er war New Yorker, arbeitete und wohnte jetzt aber in den Südstaaten, in Dalton, Georgia.
    »Das muß eine große Umstellung gewesen sein. Von New York nach Georgia.«
    »O ja.« Er blickte zu Boden und drehte sein Glas in der Hand. »Aber es kam genau zur rechten Zeit. Meine Frau und ich hatten uns kürzlich getrennt, und es machte all die Dinge viel einfacher.«
    »Entschuldigung.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. So was kommt vor.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Ja. Zwei Teenager. Einen Jungen und ein Mädchen.«
    »Sehen Sie sie dann und wann?«
    »Selbstverständlich. Sie kommen in den Sommerferien immer zu mir. Der Süden ist schön für Kinder. Sie können praktisch das ganze Jahr über Tennis spielen und reiten und schwimmen. Wir sind im Country-Club, und sie treffen dort eine Menge Gleichaltrige.«
    »Das klingt verlockend.«
    Es entstand eine kleine Pause, die Olivia nicht beendete, weil sie ihm Gelegenheit geben wollte, seine Brieftasche herauszuholen und Fotos von seinen Kindern zu zeigen, was er zum Glück nicht tat. Sie mochte ihn immer mehr. Sie sagte: »Ihr Glas ist leer. Möchten Sie noch einen Drink?«
    Sie redeten weiter. Das Gespräch drehte sich nun um gewichtigere Themen, um amerikanische Politik und das Handelsbilanzdefizit zwischen ihren beiden Ländern. Er hatte liberale und sehr nüchterne Ansichten, und obgleich er sagte, daß er die Republikaner wähle, schien er sich aufrichtig um die Probleme der Dritten Welt zu sorgen. Nach einer Weile blickte sie auf ihre Uhr und sah überrascht, daß es schon neun war.
    Sie sagte: »Ich glaube, wir sollten langsam etwas essen.« Er stand auf, nahm die leeren Gläser und folgte ihr zur Eßecke. Sie knipste die Lampe an, und er sah den stilvoll mit einem weißen

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