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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Landsitze der Superreichen. Ein Butler, ein Zimmermädchen, das für einen auspackte, und ein brennender Kamin im Schlafzimmer. Ein Wochenende in einer Vier-Sterne-Residenz war gewöhnlich dann angesagt, wenn die Tochter des Hauses auf einem Society-Ball in der Nachbarschaft debütierte und einen Partner brauchte - eben ihn. Im Garten der Leute, die den Ball gaben, war meist ein großes, offenes Zelt aufgebaut, das von Hunderten von Kerzen in silbernen Leuchtern erhellt wurde, eine für einen unfaßlichen Preis aus London geholte Band spielte die ganze Nacht, und der Champagner floß noch um sechs Uhr morgens. Er hatte Charbourne sofort drei Sterne zuerkannt und war rundum zufrieden. Man hatte ihm offensichtlich nicht das beste Gästezimmer gegeben, aber es war absolut ausreichend. Altmodisch und gemütlich, mit guten viktorianischen Möbeln und schweren Chintzvorhängen und allem, was ein Gast brauchte. Er zog den Mantel aus, warf ihn aufs Bett und öffnete dann die Tür zum Bad, das einen Teppichbelag und eine riesige, mahagoniverkleidete Badewanne hatte. An der anderen Seite war ebenfalls eine Tür, und er ging hin, um sie zu öffnen, obgleich er halbwegs damit rechnete, daß sie verschlossen war. Aber sie ging auf, und er trat in Amabels Zimmer. Sie hatte immer noch den pelzgefütterten Überzieher an, zerrte gerade Kleidungsstücke aus einer ihrer Einkaufstaschen und warf sie achtlos zu Boden.
    Sie blickte auf und sah das Lächeln in seinem Gesicht.
    »Worüber freust du dich?« fragte sie.
    »Unsere Gastgeberin scheint eine vernünftige und tolerante Frau zu sein.«
    »Wie meinst du das?« Sie konnte sehr begriffsstutzig sein. »Ich meine, sie hätte uns niemals ein Doppelzimmer gegeben, aber es ist ihr ganz gleich, ob wir nachts das Bad benutzen werden, um in das andere Zimmer zu gehen.«
    »Ach so«, sagte Amabel. »Ich nehme an, sie hat es in langjähriger Praxis gelernt.« Sie wühlte in der Einkaufstasche und holte ein langes, schwarzes und dünnes Etwas heraus. »Was ist denn das?« fragte er.
    Sie schüttelte es aus. »Jersey. Eigentlich soll es nicht kraus werden. Glaubst du, das Wasser ist heiß?«
    »Ich schätze, ja.«
    »Gott sei Dank. Ich möchte baden. Würdest du mir einen Gefallen tun und Wasser für mich einlaufen lassen?«
    Er ging ins Badezimmer zurück, steckte den Stöpsel in den Abfluß und drehte den Heißwasserhahn auf. Dann ging er wieder in sein Zimmer und packte aus, hängte die Anzüge in den geräumigen Schrank und legte die Hemden in die Kommode. Unten in der Reisetasche lag ein silberner Flachmann. Er hörte, wie Amabel im Wasser planschte, und durch die offene Tür drangen wohlriechende Dampfschwaden, wie eine Rauschwolke. Mit dem Flachmann in der Hand ging er ins Bad, nahm zwei Zahnputzgläser, füllte sie zur Hälfte mit Whisky und ließ sie mit Wasser aus der Leitung vollaufen. Amabel hatte beschlossen, ihre Haare zu waschen. Sie wusch sie immerfort, aber sie sahen anschließend nie anders aus als vorher. Er hielt ihr ein Glas hin und stellte es dann auf einen Schemel neben der Wanne, wo sie es nehmen konnte, wenn sie sich die Seife aus den Augen gespült hatte. Dann ging er in ihr Zimmer, hob den Mantel seines Großvaters vom Boden auf und nahm ihn mit ins Badezimmer, wo er sich auf den WCDeckel setzte, sein Glas vorsichtig auf die Seifenablage des Waschbeckens stellte und den Mantel zu untersuchen begann.
    Der Dampf schlug sich an den Fliesen nieder. Amabel setzte sich auf, strich sich lange nasse Strähnen aus dem Gesicht und öffnete die Augen. Sie sah den Drink und griff danach. »Was machst du da?« fragte sie. »Ich suche die Fünfpfundnote.«
    Er betastete den dicken Stoff und das Fell und bekam ganz unten am Saum die Stelle zu fassen, wo es knisterte. Er langte in die Tasche auf der betreffenden Seite und fand das Loch, und da es so klein war, daß er die Hand nicht hindurchstecken konnte, riß er es etwas weiter auf und probierte es noch einmal. Er fuhr zwischen dem groben Tweed und den ledrigen Rückseiten der Kaninchenfelle nach unten und spürte Fusseln und Haare unter den Fingernägeln. Er machte sich daraufgefaßt, eine ausgetrocknete tote Maus oder etwas anderes Ekelhaftes zu finden, biß die Zähne zusammen, unterdrückte seinen Abscheu und tastete weiter. Endlich trafen seine Finger ganz unten in der Saumecke auf das, was sie suchten. Er nahm es, zog es heraus, ließ den Mantel auf den Boden rutschen und hielt ein dünnes, zusammengefaltetes Stück Papier,

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