Die Muschelsucher
gekommen. Er hatte im Moment keine Geliebte. Er war ein sehr viriler und sinnlicher Mann, und er sah ausgesprochen gut aus. Seit seinen ersten Studententagen in Paris war eine lange Reihe schöner Frauen durch sein Leben gegangen, aber Sophie war anders als sie. Sie war noch ein Kind. Außerdem hielt sie das Haus mit dem umsichtigen Fleiß einer guterzogenen jungen Französin in Ordnung, kochte und kaufte ein, stopfte und wusch Gardinen und scheuerte die Fußböden. Er war noch nie so gut versorgt worden. Sie ihrerseits verlor bald ihr verwahrlostes Aussehen, und obgleich sie nie ein Gramm zunehmen sollte, kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück, ihre kastanienbraunen Haare bekamen einen wunderschönen satten Schimmer, und er benutzte sie bald als Modell. Sie brachte ihm Glück. Er malte gut und konnte seine Bilder verkaufen. Er gab ihr ein bißchen Geld, damit sie sich etwas zum Anziehen kaufen konnte, und sie kam freudestrahlend zurück und führte ihm stolz ein bescheidenes kleines Kleid vor. Sie war sehr schön, und um diese Zeit hörte er auf, sie als Kind zu betrachten. Sie war eine Frau, und als eine Frau kam sie eines Nachts zu ihm und legte sich neben ihn in sein Bett. Sie hatte einen bezaubernden jungen Körper, und er schickte sie nicht fort, denn er war, vielleicht zum erstenmal in seinem Leben, verliebt. Sie wurde seine Geliebte. Nach wenigen Wochen war sie schwanger.
Außer sich vor Glück heiratete er sie. Während ihrer Schwangerschaft reisten sie zum erstenmal nach Cornwall. Sie landeten in Porthkerris, das bereits von Malern aus allen Teilen Großbritanniens entdeckt worden war und wo viele Kollegen von Lawrence sich niedergelassen hatten. Als erstes mieteten sie den Netzeschuppen, der sein Atelier werden sollte, und dort hausten sie zwei Wintermonate lang unter primitiven Bedingungen, aber uneingeschränkt glücklich. Dann wurde Cam Cottage zum Verkauf ausgeschrieben, und Lawrence, der gerade einen guten Auftrag bekommen hatte, machte ein Angebot und bekam es. Penelope wurde in Cam Cottage geboren, und sie verbrachten von nun an jeden Sommer dort, doch wenn die Herbststürme einsetzten, schlossen sie das Haus oder vermieteten es für den Winter und kehrten nach London in das Souterrain des warmen, anheimelnden, von vielen Leuten bevölkerten alten Hauses in der Oakley Street zurück. Sie fuhren immer mit dem Auto, denn Lawrence war inzwischen stolzer Besitzer einer eindrucksvollen Viereinhalbliter-Reiselimousine von Bentley mit einem Klappverdeck aus Segeltuch und blitzenden Kotflügelscheinwerfern. Sie hatte ein Trittbrett, das bei Picknicks gute Dienste leistete, und breite Lederriemen zum Befestigen der Motorhaube. Manchmal holten sie im Frühling Lawrences Schwester samt ihren Koffern und Hutschachteln ab, nahmen die Fähre nach Frankreich und fuhren dann zu den Mimosensträuchern und roten Felsen der Mittelmeerküste zu Charles und Chantal Rainier, alten Freunden aus der Zeit vor dem Krieg in Paris, die eine malerische, verzauberte Villa mit einem großen, verwilderten Garten voller Zikaden und Eidechsen hatten. Sie sprachen dann nur französisch, auch Tante Ethel, die sich immer in eine Gallierin verwandelte, wenn sie in Calais an Bord gingen, ihre Baskenmütze in einem kecken Winkel aufsetzte und eine Gauloise nach der anderen rauchte. Penelope, das Kind einer Mutter, die ihre Schwester hätte sein können, und eines Vaters, den viele für ihren Großvater hielten, begleitete die Erwachsenen überallhin. Sie betete ihre Eltern an. Wenn sie bei anderen Kindern eingeladen war und langweilige Essen mit strengen Nannys überstehen mußte, die in einem fort auf Tischmanieren achtgaben, oder bei Mannschaftsspielen mitmachte, die von beleibten Vätern organisiert wurden, fragte sie sich, wie die anderen bloß dieses fade und geregelte Leben aushielten, und konnte es kaum erwarten, wieder nach Haus zu gehen.
Sophie sagte im Augenblick nichts über den neuen Krieg, der begonnen hatte. Sie gab ihrem Mann einen Kuß und faßte ihre Tochter um die Taille und zeigte ihnen die Blumen, die sie gepflückt hatte. Dahlien. Einen prachtvollen Strauß orangefarbener, tiefroter und gelber Blüten.
»Ich finde, sie erinnern einen an das Russische Ballett«, sagte sie. Sie hatte ihren reizenden französischen Akzent nie verloren. »Aber sie duften nicht.« Sie lächelte. »Macht nichts. Ich dachte, ihr würdet vielleicht zu spät kommen. Ich bin froh, daß ihr schon da seid. Gehen wir und machen wir eine
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