Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
Flasche Wein auf, und ich hoffe, ihr habt genug Appetit mitgebracht.«
    Zwei Tage später, am Dienstag, kam ihnen der Krieg näher. Es läutete, Penelope öffnete und sah Miss Pawson an der Schwelle stehen. Miss Pawson war eine der maskulin wirkenden Damen, die dann und wann in Porthkerris aufkreuzten, eine von den Amazonen der dreißiger Jahre, wie Lawrence sie nannte, die nichts von den Freuden der Ehe und Familie hielten und ihren Lebensunterhalt auf verschiedene Weise verdienten, gewöhnlich mit Tieren. Sie gaben Reitunterricht, züchteten Hunde, oder sie fotografierten die Hunde anderer Leute. Miss Pawson züchtete King-Charles-Spaniel und war stadtbekannt, denn sie richtete die Tiere vorzugsweise unten am Strand ab oder zerrte ein halbes Dutzend davon an einer Mehrfachleine hinter sich her, wenn sie Besorgungen machte. Miss Pawson lebte mit Miss Preedy zusammen, einer spröden Dame, die Tanzunterricht gab. Nicht Volkstanz oder Ballett, sondern eine sonderbare neue Variation der Kunst, die auf griechischen Vasenmalereien, Zwerchfellatmung und Gymnastik beruhte. Gelegentlich veranstaltete sie eine Darbietung im Rathaus, und einmal hatte Sophie Karten gekauft, und sie waren pflichtschuldigst hingegangen. Es war sensationell. Miss Preedy und fünf ihrer Schülerinnen (einige waren sehr jung, andere dagegen alt genug, um es besser zu wissen) waren barfuß, mit knielangen, orangefarbenen hemdartigen Gewändern und breiten Stirnbändern auf die Bühne gekommen. Sie hatten sich zu einem Halbkreis aufgebaut, und Miss Preedy war vorgetreten. Sie hatte sehr laut gesprochen, um auch von den hinten Sitzenden gehört zu werden, und ihre hohe Stimme überschlug sich fast, als sie sagte, vielleicht seien einige einführende Worte angebracht, und dann hielt sie einen kleinen Vortrag, aus dem hervorzugehen schien, daß das, was sie lehrte, kein Tanzen im eigentlichen Sinn war, sondern eine Abfolge von Übungen und Bewegungen, die eine Erweiterung der natürlichen Funktionen des Körpers darstellten.
    Lawrence murmelte: »Großer Gott«, und Penelope mußte ihn mit dem Ellbogen in die Rippen stoßen, damit er ruhig blieb. Miss Preedy krähte noch eine Weile, nahm ihren Platz dann wieder ein, und der Spaß begann. Sie klatschte in die Hände, befahl »Eins!« und ließ sich, zusammen mit ihren Schülerinnen, wie betäubt oder tot auf die Bretter fallen. Die erschrockenen Zuschauer mußten die Hälse recken, um sie zu sehen. Dann, auf ihr »Zwei!«, hoben sie sehr langsam die Beine an, und ihre Zehen zeigten zum Himmel.
    Die orangefarbenen Gewänder rutschten nach unten und gaben sechs voluminöse Pumphosen aus dem gleichen Material frei, die an den Knien von Gummibändern gehalten wurden. Lawrence fing an zu husten, sprang auf, lief im Eilschritt den Mittelgang hinunter und verschwand aus dem Saal. Er kam nicht zurück, und Sophie und Penelope hielten die nächsten zwei Stunden alleine durch, preßten die Hand an den Mund und bogen sich vor unterdrücktem Lachen.
    Als Penelope sechzehn war, las sie dann The Wells of Loneliness und sah Miss Pawson und Miss Preedy mit anderen, wissenderen Augen, doch ihre Beziehung setzte sie weiterhin in ein naives Erstaunen.
    Und nun stand Miss Pawson in ihren derben Schuhen, ihrer Hose, ihrer Reiß Verschluß jacke, mit Hemd und Krawatte und der Baskenmütze, die schief auf dem grauen, sehr kurz geschnittenem Haar saß, an der Tür. Sie trug eine Schreibunterlage mit Papieren und hatte ihre Gasmaske umgehängt. Sie war offenbar in Kampfuniform und hätte nur noch ein Gewehr und einen Patronengurt gebraucht, um einer Partisanentruppe zur Ehre zu gereichen. »Guten Morgen, Miss Pawson.«
    »Ist deine Mutter zu Hause, Penelope? Es ist wegen der Einquartierung von Evakuierten.«
    Sophie erschien, und sie führten Miss Pawson ins Wohnzimmer. Da die Besucherin sichtlich in offizieller Funktion kam, setzten sie sich an den Tisch in der Mitte des Raumes, und Miss Pawson schraubte ihren Füllfederhalter auf.
    »Hm.« Sie redete nicht um den heißen Brei herum und eröffnete ihre Kriegskonferenz sofort. »Wie viele Zimmer haben Sie?« Sophie blickte etwas überrascht drein. Miss Pawson und Miss Preedy waren einige Male in Cam Cottage gewesen und wußten sehr gut, wie viele Zimmer es hatte. Aber sie gefiel sich offensichtlich so sehr in ihrer Rolle, daß es grausam gewesen wäre, ihr den Spaß zu verderben, und so antwortete Sophie: »Vier. Dieses Zimmer und das Eßzimmer, und Lawrences Arbeitszimmer und

Weitere Kostenlose Bücher