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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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die Küche.« Miss Pawson schrieb in das betreffende Kästchen ihres Formulars »vier«.
    »Und oben?«
    »Unser Schlafzimmer und Penelopes Zimmer und das Gästezimmer und das Badezimmer.«
    » Gästezimmer?«
    »Ich möchte nicht, daß jemand im Gästezimmer wohnt, weil die Schwester meines Mannes schon recht alt ist und allein in London lebt, und wenn die Bombenangriffe anfangen, möchte sie vielleicht hierher kommen und bei uns wohnen.«
    »Ich verstehe. Und nun zu den WCs.«
    »Oh, wir haben eins«, versicherte Sophie ihr. »Im Bad.«
    »Nur ein WC?«
    »Wir haben noch eine Außentoilette im Hof an der Küche, aber wir benutzen sie für das Kaminholz.« Miss Pawson schrieb: »Ein WC, ein Abtritt.«
    »Und was ist mit der Bodenkammer?«
    »Der Bodenkammer?«
    »Wie viele Leute könnten da oben schlafen?« Sophie war entsetzt. »Ich würde niemanden da oben schlafen lassen. Es ist dunkel und voll von Spinnen.« Dann fügte sie unsicher hinzu: »Ich nehme an, daß die Hausmädchen früher dort geschlafen haben. Die armen Dinger.« Das reichte Miss Pawson.
    »In dem Fall sehe ich Sie für drei Personen in der Bodenkammer vor. Heutzutage darf man nicht zu wählerisch sein, verstehen Sie. Wir haben schließlich Krieg.«
    »Müssen wir denn Evakuierte aufnehmen?«
    »O ja, jeder muß es. Wir müssen alle unseren Beitrag leisten.«
    »Was für Leute werden es sein?«
    »Wahrscheinlich Leute aus London, aus dem East End. Ich werde versuchen, Ihnen eine Mutter mit ein paar Kindern zu besorgen. Hm.« Sie sammelte ihre Papiere ein und stand auf. »Ich muß jetzt weiter. Ich muß noch zehn oder zwölf andere Besuche machen.«
    Sie preßte ihre Lippen zusammen und marschierte aus dem Zimmer, und Penelope rechnete fast damit, daß sie beim Abschied die Hacken zusammenschlagen würde, aber sie tat es nicht, sondern stapfte den Weg zur Pforte hinunter. Sophie schloß die Haustür hinter sich und wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als sie sich ihrer Tochter zuwandte. Drei Leute in der Bodenkammer. Sie gingen nach oben, um den düsteren Raum in Augenschein zu nehmen, und er war noch schlimmer, als sie ihn in Erinnerung hatten. Dunkel, schmutzig und staubig, voll Spinnweben und einem Geruch nach Mäusen und verschwitzten Schuhen. Sophie rümpfte die Nase und versuchte, eines der schrägen Fenster zu öffnen, aber es klemmte. Die alte, scheußlich gemusterte Tapete hatte sich stellenweise von der Decke gelöst. Penelope langte nach oben, nahm eine herunterbaumelnde Ecke und riß daran. Ein langer Fetzen schälte sich los und segelte in einer Wolke von Kalkstaub zu Boden.
    Sie sagte: »Wenn wir es weiß streichen, ist es vielleicht nicht mehr so schlimm.« Sie ging zum anderen Fenster, wischte ein kleines Stück der Scheibe sauber und sah hinaus. »Und der Blick ist herrlich.«
    »Evakuierte interessieren sich nicht für den Blick.«
    »Wie willst du das wissen? Hör zu, Sophie, sei nicht so verzweifelt. Wenn sie kommen, brauchen sie ein Zimmer zum Schlafen. Entweder das hier oder keines.«
    Es war ihre erste Kriegsarbeit. Sie löste die Tapete ab und tünchte Wände und Decke weiß, putzte die Fenster, strich die Holzbalken und scheuerte den Boden. Sophie ging inzwischen auf eine Auktion, ersteigerte einen Teppich, drei Polsterbetten, einen Kleiderschrank und eine Kommode aus Mahagoni, vier Paar Vorhänge, einen Druck mit dem Titel Vor Valparaiso und ein kleines Standbild, ein Mädchen mit einem Wasserball. Sie zahlte dafür insgesamt acht Pfund, vierzehn Shilling und neun Pence. Die Möbel wurden gebracht und von einem freundlichen Mann mit einer Schlägermütze und einer langen weißen Schürze die Treppen hinaufgeschleppt. Sophie gab ihm einen Krug Bier und eine halbe Krone, und er entfernte sich strahlend, und dann machten Sophie und Penelope die Betten und hängten die Vorhänge auf, und danach konnten sie nur noch auf die Evakuierten warten - und wider besseres Wissen hoffen, daß sie nicht kommen würden.
    Sie kamen. Eine junge Mutter mit zwei kleinen Söhnen. Doris Potter, Ronald und Clark. Doris war blond, hatte eine Ginger-Rogers-Frisur und trug vorzugsweise einen sehr engen schwarzen Rock. Ihr Mann hieß Bert, war schon eingezogen worden und diente bei der Expeditionstruppe in Frankreich. Ihre Söhne, sieben beziehungsweise sechs Jahre alt, hießen nach Ronald Colman und Clark Gable. Sie waren viel zu klein für ihr Alter, mager und blaß und hatten spitze Knie und struppige trockene Haare, die wie eine

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