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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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in einem knallroten wollenen Morgenrock, ungeschminkt, mit Brille, vor ihm.
    Offensichtlich nicht für Besuch angezogen. Er sagte: »Hallo.«
    »Noel!« Es klang erstaunt, und das mit gutem Grund, denn trotz der Tatsache, daß sie nur einige Kilometer voneinander entfernt wohnten, pflegte er nicht unangemeldet bei ihr vorbeizukommen. »Was machst du denn hier?«
    »Ich wollte dich nur besuchen. Bist du beschäftigt?«
    »Ja, das bin ich. Ich muß noch ein paar Sachen lesen, wir haben morgen früh Redaktionskonferenz. Aber das kann warten. Komm rein.«
    »Ich war auf einen Drink bei Freunden in Putney.« Er strich sein Haar glatt und folgte ihr ins Wohnzimmer. Es war wie immer herrlich warm, der Kamin brannte, überall standen Blumen. Er beneidete sie. Er hatte sie schon immer beneidet. Nicht nur ihres beruflichen Erfolgs wegen, sondern auch, weil sie offenbar das Talent hatte, alle Aspekte ihres erfüllten Lebens zu meistern. Auf dem niedrigen Tisch am Kamin lagen ihre Aktenmappe, Manuskripte und Fahnenabzüge, und sie beugte sich darüber, schob die Papiere rasch zusammen und brachte alles zu ihrem Sekretär. Er trat zum Kamin und gab vor, seine Hände an den Gasflammen zu wärmen, doch in Wahrheit besah er sich die auf dem Sims aufgereihten Einladungen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wo sie neuerdings verkehrte und wie begehrt sie war. Er sah, daß sie zu einer Hochzeit eingeladen worden war, zu der man ihn nicht gebeten hatte, und außerdem zu einer Vernissage in einer neuen Galerie in der Walton Street.
    Sie fragte: »Hast du schon gegessen?«
    Er drehte sich zu ihr um. »Ein paar Kanapees.« Er sprach das Wort englisch aus, verschluckte die letzte Silbe, eine Angewohnheit aus ihrer Kindheit, die sie beide beibehalten hatten. »Möchtest du etwas?«
    »Was hast du denn da?«
    »Ich habe noch einen Rest von der Quiche Lorraine, die ich heute Abend gegessen habe. Wenn du das möchtest. Und Käse. Und natürlich Brot.«
    »Wunderbar.«
    »Ich hole es. Du kannst dir ja schon einen Drink machen.« Er nahm das freundliche Angebot an und schenkte sich einen doppelten Whisky und Soda ein, während sie zu der kleinen Küche ging und auf dem Weg die Lampen anknipste. Er zog sich einen Schemel an die Theke, die die Küche vom Rest des Zimmers trennte, und benahm sich ganz so, als ob er in einen Pub käme, um ein wenig mit der Bedienung zu plaudern.
    Er sagte: »Am Sonntag bin ich übrigens bei Ma vorbeigefahren und habe sie besucht.«
    »Ach, wirklich? Ich war Sonnabend da.«
    »Ja, sie hat es erzählt. Mit einem Herrn aus Amerika, der sie anscheinend im Sturm erobert hat. Wie fandest du sie?«
    »Sie sah gut aus, in Anbetracht der Umstände.«
    »Glaubst du, daß es wirklich ein Herzanfall gewesen ist?«
    »Nun ja, jedenfalls eine Warnung.« Sie sah ihn an und verzog das Gesicht. »Nancy sieht sie natürlich bei jeder Kleinigkeit bereits unter der Erde.« Noel lachte und schüttelte den Kopf. Nancy gehörte zu den wenigen Dingen, bei denen Olivia und er immer einer Meinung gewesen waren. »Sie arbeitet zu viel. Sie hat schon immer zu viel gearbeitet. Aber sie hat sich wenigstens jemanden für den Garten gesucht. Das ist immerhin ein Anfang.«
    »Ich habe versucht, sie zu überreden, morgen nach London zu kommen. «
    »Warum?«
    »Um zu Boothby’s zu gehen. Zuzusehen, wie der Lawrence Stern versteigert wird. Damit sie sieht, was er bringt.«
    »Ach ja, Die Wasserträgerinnen. Ich hatte ganz vergessen, daß es morgen ist. Und? Wird sie kommen?«
    »Nein.«
    »Na ja, wozu auch? Sie verdient schließlich nichts daran.«
    »Nein.« Noel schaute in sein Glas. »Aber wenn sie ihr Bild verkaufen würde, würde sie eine ganze Menge Geld verdienen.«
    »Wenn du Die Muschelsucher meinst, bist du nicht richtig im Kopf. Sie würde eher sterben, als sie herzugeben.«
    »Und die beiden Tafelbilder?«
    Olivia betrachtete ihn argwöhnisch. »Hast du etwa mit Mama darüber gesprochen?«
    »Warum nicht? Du mußt zugeben, es sind furchtbare Bilder. Und sie schimmeln oben im Flur vor sich hin. Sie würde es nicht einmal merken, wenn sie nicht mehr da wären.«
    »Sie sind unvollendet.«
    »Ich wünschte, ihr würdet aufhören, dauernd zu sagen, daß sie unvollendet sind. Ich wette, Lawrence Stern ist so gesucht, daß sie trotzdem eine Menge Geld bringen würden.« Eine Weile später sagte sie: »Nehmen wir einmal an, sie wäre einverstanden zu verkaufen.« Sie nahm ein Tablett, stellte Teller, Butter, ein Holzbrett mit Käse darauf

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