Die Muschelsucher
entrüstet, als sie ihn in dem kalten, vollgestellten und ungemütlichen Schuppen hocken sah. »Was, in aller Welt, machen Sie da?«
Erschrocken über ihr unerwartetes Erscheinen und den Ton ihrer Stimme ließ er die Zeitung fallen und stieß beim Aufspringen den Eimer um, der laut scheppernd auf dem Zementboden landete. Er hatte noch den Mund voll, mußte den Bissen zu Ende kauen und hinunterschlucken, ehe er etwas sagen konnte. Er wurde rot und schien furchtbar verlegen zu sein. »Ich. ich esse meinen Lunch.«
»Ihren Lunch?«
»Ich mache doch von zwölf bis eins Mittagspause. Sie sagten, es wäre in Ordnung.«
»Aber doch nicht hier. Nicht auf einem Eimer in der Garage. Sie müssen hereinkommen und mit mir essen. Ich dachte, das sei klar.«
»Mit Ihnen zusammen?«
»Was denn sonst? Geben Ihnen die anderen Leute, bei denen Sie arbeiten, kein Mittagessen?«
»Nein.«
»Das ist ja unglaublich. Wie können Sie denn den ganzen Tag arbeiten, wenn Sie nur ein Sandwich essen?«
»Das bin ich gewohnt.«
»Aber nicht bei mir. Werfen Sie dieses schreckliche Brot weg und kommen Sie mit.«
Er sah sie sprachlos an, tat aber, was sie gesagt hatte, obgleich er das Brot natürlich nicht fortwarf, sondern wieder einpackte und in seine Fahrradtasche steckte. Dann stellte er den Eimer wieder in die Ecke und steckte die Zeitung ebenfalls in die Fahrradtasche. Als er fertig war, führte sie ihn ins Haus. Er zog seine Jacke aus, unter der er einen vielgestopften, marineblauen Strickpullover trug. Dann wusch er sich die Hände, trocknete sie ab und setzte sich an den Küchentisch. Sie stellte ihm einen bis zum Rand mit Suppe gefüllten Teller hin und bat ihn, sich Brot zu schneiden und von der Butter zu nehmen. Sie nahm sich weniger Suppe und setzte sich dann neben ihn.
Er sagte: »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.«
»Kein bißchen. Es ist einfach so, wie ich es immer mache. Das heißt, nicht ganz. Ich habe nämlich noch nie einen Gärtner gehabt. Aber wenn meine Eltern jemanden hatten, der draußen am Haus oder im Garten arbeitete, hat er immer mit uns Mittag gegessen. Ich glaube, ich habe nicht daran gedacht, daß die meisten Leute es anders machen. Entschuldigen Sie. Das kleine Mißverständnis ist meine Schuld. Ich hätte mich deutlicher ausdrücken sollen.«
»Ich habe nicht gewußt, was Sie meinen.«
»Nein, natürlich nicht. Und nun erzählen Sie ein bißchen von sich. Wie heißen Sie?«
»Danus Muirfield.«
»Was für ein schöner Name.«
»Ich dachte, er sei ziemlich gewöhnlich.«
»Sehr schön für einen Gärtner, meine ich. Manche Leute haben Namen, die genau zu ihrem Beruf passen. Was meinen Sie, hätte Charles de Gaulle etwas anderes sein können als der Retter Frankreichs? Oder der arme Alger Hiss. Mit einem solchen Namen mußte er einfach Spion werden.«
Er sagte: »Als ich klein war, hatten wir einen Pfarrer, der Paternoster hieß.«
»Genau. Das beweist, was ich gesagt habe. Wo ist das gewesen? Ich meine, wo kommen Sie her?«
»Aus Edinburgh.«
»Edinburgh? Sie sind Schotte?«
»Ja.«
»Was macht Ihr Vater?«
»Er ist Anwalt. Ein ›Hüter des Königlichen Siegels‹.«
»Ein schöner Titel. So romantisch. Wollten Sie nicht auch Anwalt werden?«
»Zuerst ja, aber dann.« Er zuckte die Achseln. »Dann habe ich es mir anders überlegt und bin auf die Gartenbauschule gegangen.«
»Wie alt sind Sie?«
» Vierundzwanzig.«
Sie war überrascht. Er sah älter aus. »Gefällt Ihnen die Arbeit bei Autogarden?«
»Sie ist okay. Man hat immer Abwechslung.«
»Wie lange arbeiten Sie schon dort?«
»Ungefähr ein halbes Jahr.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Wo wohnen Sie?«
»In einem Arbeiterhaus auf der Farm der Sawcombes. Gleich hinter Pudley.«
»Oh, ich kenne die Sawcombes. Ist es ein hübsches Haus?«
»Es ist in Ordnung.«
»Wer kocht und putzt für Sie?«
»Das mache ich selbst.«
Sie dachte an das schreckliche Sandwich. Stellte sich das primitive Arbeiterhaus vor, mit einem ungemachten Bett und Wäschestücken zum Trocknen am Ofen. Sie fragte sich, ob er sich je eine richtige Mahlzeit koche.
»Sind Sie in Edinburgh zur Schule gegangen?« fragte sie, plötzlich voll Interesse für diesen jungen Mann und das, was ihm widerfahren sein mochte, die Umstände und Beweggründe, die ihn dazu gebracht hatten, ein so bescheidenes und schweres Leben zu führen. »Ja.«
»Und danach sind Sie sofort auf die Gartenbauschule gegangen?«
»Nein. Ich war vorher ein paar Jahre
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