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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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und legte Messer und Gabel neben den Teller. »Wirst du ihr dann vorschreiben, was sie mit dem Geld machen soll, oder wirst du es ihr überlassen?«
    »Das Geld, das man lebend verschenkt, ist doppelt so viel wert wie das, was man vererbt.«
    »Du brauchst es also.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Wir könnten es uns teilen. Oh, mach nicht so ein Gesicht, Olivia, es ist nichts, wessen man sich schämen müßte. Heutzutage kann jeder ein bißchen Kapital gebrauchen, und erzähl mir bloß nicht, daß Nancy nicht gern ein wenig Bargeld hätte. Sie jammert in einem fort darüber, wie teuer alles ist.«
    »Vielleicht du und Nancy. Aber laßt mich bitte aus dem Spiel.« Noel drehte sein Glas hin und her. »Du würdest doch auch nicht nein sagen, oder?«
    »Ich möchte nichts von Mama. Sie hat uns schon mehr als genug gegeben. Ich möchte nur, daß sie da ist und daß sie nie Geldsorgen hat und daß sie ihr Leben genießen kann.«
    »Sie kommt sehr gut über die Runden. Das wissen wir alle.«
    »Wirklich? Und was ist mit später? Sie könnte sehr alt werden.«
    »Ein Grund mehr, diese scheußlichen Nymphen zu verkaufen und den Erlös für ihre letzten Jahre anzulegen.«
    »Ich möchte nicht darüber diskutieren.«
    »Du findest also nicht, daß es eine gute Idee ist?« Olivia antwortete nicht, sondern nahm das Tablett und brachte es zum Kamin. Er folgte ihr und dachte unwillkürlich, daß es keine Frau gab, die so kerzengerade ging wie Olivia. Sie brachte es fertig, sogar von hinten Mißbilligung und Strenge auszustrahlen, wenn ihr etwas nicht paßte.
    Sie stellte das Tablett ein wenig zu heftig auf dem niedrigen Tisch ab. Dann richtete sie sich wieder auf und sah ihn quer durch den Raum hindurch an. Sie sagte: »Nein!«
    »Warum nicht?«
    »Ich finde, du solltest Mama in Ruhe lassen.«
    »Na schön.« Er gab gleichmütig nach, da er wußte, daß dies auf lange Sicht das beste Mittel war, um das zu bekommen, was er wollte. Er ließ sich in einen der bequemen Sessel sinken und beugte sich vor, um sein improvisiertes Dinner einzunehmen. Olivia trat zum Kamin und lehnte sich, beide Hände in den Taschen ihres Morgenrocks vergraben, dagegen. Er spürte, daß sie ihn betrachtete, während er Messer und Gabel nahm und ein Stück von der Quiche abschnitt. »Reden wir also nicht mehr von den Bildern. Sondern von etwas anderem.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel. Hast du je irgendwelche Ölskizzen gesehen, die Lawrence Stern für seine großen Bilder gemacht haben dürfte, oder hast du je gehört, daß Ma darüber redete oder ihre Existenz vermutete?«
    Er hatte den ganzen Tag mit sich gerungen, ob er Olivia wegen des alten Briefs und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten ins Vertrauen ziehen sollte. Zuletzt hatte er beschlossen, das Risiko einzugehen. Olivia wäre die beste Verbündete. Sie war von allen drei Kindern die einzige, die einen gewissen Einfluß auf ihre Mutter hatte. Während er seine Frage stellte, ließ er sie nicht aus den Augen und sah, wie ein wachsamer Ausdruck über ihr Gesicht huschte, der von unverhülltem Mißtrauen abgelöst wurde. Damit hatte er gerechnet.
    Sie wartete eine Weile, ehe sie antwortete: »Nein.« Auch damit hatte er gerechnet, aber er wußte, daß sie die Wahrheit sagte. Sie sagte immer die Wahrheit. »Nein, nie.«
    »Gut. Aber es muß einfach welche geben.«
    »Wie bist du darauf gekommen?« Er erzählte, wie er den Brief gefunden hatte.
    »Terrasse über dem Meer? Das hängt im Metropolitan in New York.«
    »Genau. Und wenn er eine Ölskizze für Terrasse über dem Meer gemacht hat, warum dann nicht auch für Die Wasserträgerinnen und Die Werbung des Fischers und all die anderen Schinken, die jetzt in langweiligen Museen überall auf der Welt hängen?« Olivia dachte darüber nach. Dann sagte sie: »Wahrscheinlich hat er sie vernichtet.«
    »Bestimmt nicht. Der alte Knabe hat nie etwas vernichtet, das weißt du genausogut wie ich. Kein Haus war jemals so voll von Gerumpel und Relikten aus der Vergangenheit wie das in der Oakley Street. Weißt du, Mas Dachboden ist ein einziges Feuerrisiko. Wenn ein Versicherungsvertreter sähe, was da alles unter dem Strohdach herumsteht, bekäme er einen Anfall.«
    »Bist du kürzlich oben gewesen?«
    »Ja, vorgestern, um meinen Squash-Schläger zu suchen.«
    »War das alles, was du gesucht hast?«
    »Hm, ich habe mich außerdem noch ein bißchen umgesehen.«
    »Nach einer Mappe mit Ölskizzen?«
    »Du könntest recht haben.«
    »Aber du hast keine

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