Die Muse des Mörders (German Edition)
bin, aber Sie haben keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.«
»Erzählen Sie mir davon.«
Maries Mutter sah zum Fenster, schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe, dann blickte sie Madeleine wieder an.
»Was genau wollen Sie denn wissen?«
»Wie gut kannten Sie René Kardos?«
»Zu gut.« Sie lächelte bitter, doch ihr schien klar zu sein, dass das keine zufriedenstellende Antwort für Madeleine war. Endlich riss sie sich zusammen und holte weiter aus. »Ich wohnte damals schon hier in der Nähe. Hatte eben erst eine Ausbildung zur Friseurin hinter mir. Er zog ins gleiche Haus. Kam gerade aus Antwerpen.«
»Von seiner Ausbildung?«
Sofie nickte.
»Er hat mich gleich fasziniert. Er hatte so etwas Geheimnisvolles an sich.« Ihr Blick wanderte in die Ferne. »Zuerst lief alles gut mit uns, aber dann, als er sich selbstständig machte und wir zusammenzogen …« Wieder tippte sie auf das Foto. Etwas Asche fiel von ihrer Zigarette und blieb auf dem Bild liegen. »Ich weiß noch genau, warum er diesen Verband hatte. Eines Nachts, Marie schlief längst und auch ich lag im Bett, wie so oft allein, hörte ich einen Schmerzensschrei aus seiner Werkstatt. Ich dachte, er wird überfallen oder so etwas. Als ich hineinlief, hatte er den Hammer noch in der Hand.«
Madeleine zog eine Augenbraue hoch.
»Er hat sich selbst verletzt?« Sie konnte sich denken, weswegen. Um seine damaligen Kunden vor sich zu schützen.
Sofie nickte nur.
»Verrückt, nicht wahr? Das war aber noch gar nichts.«
»Erzählen Sie mir mehr. Erzählen Sie mir, wie Sie merkten, dass mit ihm etwas nicht stimmt.«
Sofie schluckte sichtbar. Nach und nach verschwand die Härte aus ihrem Gesicht.
»Ich habe ihn so geliebt … ich habe ihn so geliebt, dass ich zuerst gar nichts merken wollte.« Sie hustete einmal kurz und hart. »Nicht lange, nachdem wir in das Haus am Raimundhof gezogen waren, merkte ich das erste Mal, dass er sich seltsam benahm. Er hatte eines seiner geliebten Unikate verkauft und verdammt viel Geld dafür kassiert und ich kochte für uns und hatte Wein besorgt, aber er meinte nur, dass er noch einmal weg müsse. Ich misstraute ihm und folgte ihm deshalb.« Sie sah Madeleine an. »Ein Mann wie er und so eine graue Maus wie ich. Ich machte mir natürlich Gedanken.«
»Was ist dann passiert?«
»Auf der Rechnung stand die Adresse des Kunden. Dort lief er hin und dann stand er eine Weile vor dem Haus herum. Starrte einfach nur hinauf zu den Fenstern und rührte sich nicht. Ab und zu sagte er etwas. Ich stand zu weit weg, konnte ihn nicht verstehen. Angst hatte ich trotzdem. Als er an dem Abend nach Hause kam und wir beim Essen saßen, sprach ich ihn darauf an. Was ist mit dir, René? Was stimmt mit dir nicht? Er sah mich an, als ob mit mir etwas nicht stimmte. Was meinst du, fragte er und lächelte mich an, so … warm und …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich erzählte ihm, dass ich ihn gesehen hatte, vor dem Haus des Kunden, aber er wollte nicht zugeben, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ich fing an zu weinen. Sprang auf und schrie ihn an, dass er mir richtig Angst gemacht habe, dass er doch zu einem Arzt gehen solle. Sich Hilfe suchen.« Sie schlang die Arme um den Oberkörper.
»Wie hat er reagiert?«
Sofies Stimme wurde leise und wehmütig.
»Er stand ebenfalls auf. Kam auf mich zu. Nahm mein Gesicht in die Hände und sein Blick, der war …« Sie atmete durch. »Mach dir keine Sorgen, Sofie, sagte er. Es ist alles in Ordnung. Alles in bester Ordnung. Mach dir keine Gedanken um mich. Er küsste mich und eins folgte aufs andere und wir landeten im Bett.« Sie starrte auf den Teppich, von dem aus ein paar Brandlöcher zurückstarrten. »Das war die schönste Nacht, die ich je mit ihm hatte. Er war so zärtlich. In dieser Nacht haben wir Marie gezeugt, wissen Sie?« Ihre Züge verhärteten sich wieder und sie zog erneut an ihrer Zigarette. »Das war etwas Besonderes. Sonst war er nie so. Sonst kam es mir immer nur vor, als ob er seine kranke Seele aus sich rausficken wollte.«
Madeleine fühlte sich unwohl. Da lag eine tiefe Wahrheit in Sofie Hafners drastischer Ausdrucksweise.
»Wann haben Sie ihn verlassen?«, fragte sie.
»Als Marie vier war.«
»Warum sind Sie nicht früher gegangen?«
Wieder kaute Sofie eine Weile auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie antwortete.
»Ich war immer ein sehr hoffnungsvoller Mensch. Naiv, wenn Sie so wollen. Als ich schwanger war, da dachte ich zuerst, dass
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